Der Ungnädige
besser als er.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Godley und Derwent ins Büro des Chefs zurückzogen, um die Verhaftung zu planen. Ich wäre so gern dabei gewesen, aber noch viel mehr als das wünschte ich mir, dass sie Patricia fanden und nach Hause brachten.
18
Sonntag
Rob
Ich saß in der Einsatzbesprechung und hörte mit maximal zehnprozentiger Aufmerksamkeit zu, was Derwent über die Bancroft-Brüder zu sagen hatte. Der Rest war nur weißes Rauschen. Es wäre ziemlich hilfreich gewesen, wenn meine Angst um Maeve zu konstruktiveren Reaktionen geführt hätte als zu kopfloser Panik. Jemand hatte sie also beobachtet. Sie verfolgt. Ihr so weit nachspioniert, dass er wusste, wo sie arbeitet, worüber sie nachdenkt und was sie als Nächstes tun könnte. Ihren Tagesablauf studiert. Ich hatte schon viel zum Thema Stalking gehört und in meinen ersten Dienstjahren bei der Kripo sogar mal einen Fall auf dem Tisch gehabt, bei dem eine Frau deswegen Anzeige erstattet hatte. Aber was das wirklich bedeutete, war mir bis jetzt nicht klar gewesen. Jemand hatte aus unerfindlichen Gründen ein übersteigertes Interesse an Maeve, und sie konnte nichts dagegen tun als beten, dass er nicht gewaltbereit war, und hoffen, dass wir ihn schnell zu fassen bekamen. Ich ertappte mich selbst bei Ersterem. Es machte mir schwer zu schaffen, dass ich sie nicht im Blick hatte, obwohl ich wusste, dass sie hier im Büro in Sicherheit war. Ich wollte sie keinen Moment mehr aus den Augen lassen.
Was mich am meisten beunruhigte, war die Tatsache, dass der Widerling, der Maeve beobachtete, das Tempo vorgab. Das ging so weit, dass er festlegte, auf welche Weise er sich uns zeigte. Er musste gefasst werden, und zwar schleunigst. Vorher gab es nur noch eine klitzekleine Formalität zu erledigen: die Verhaftung der Bancroft-Brüder.
Godley teilte die versammelte Mannschaft in zwei Einsatzgruppen, von denen eine unter Derwents Leitung stand und die andere unter seiner eigenen. Ich hatte inständig gehofft, dass Godley mich seiner Einsatzgruppe zuordnen würde, war aber rational genug, um zu wissen, dass das nicht der Grund dafür war, weshalb er mich ausgewählt hatte.
» Rob, Sie fahren mein Auto. Ich will während der Fahrt in Kontakt mit Josh bleiben, und außerdem sind Sie sowieso schneller als ich. «
Die Fahrweise » Wer bremst, verliert « hatte also durchaus ihre Vorteile, wenn man von den Bußgeldbescheiden einmal absah.
» Wir fangen in Archway an und verhaften zuerst Drew Bancroft. « Er verteilte Übersichtskarten von beiden Vierteln und wandte sich schon wieder ab. » Josh, du bist schon in Lee Bancrofts Wohnung gewesen. Kannst du deiner Mannschaft den Grundriss beschreiben und die Strategie erläutern? «
Derwent nickte und baute sich vor seinen Leuten auf. Berauscht vom Adrenalin kaute er hastig auf seinem Kaugummi herum und zwinkerte auffallend wenig.
» Der Zugang ist schmal, und es sind drei Treppen. Hinten raus dürfte es eine Feuerleiter geben; ich will, dass zwei von euch das überprüfen, bevor wir loslegen. Wir lassen die bewaffneten Kollegen vom CO 19 erst mal den Rambo machen, aber wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass er durch die Hintertür verschwindet, ehe wir zum Zug kommen. Also sorgt dafür, dass von Anfang an alles gesichert ist. « Er ratterte seine Worte in Hochgeschwindigkeit herunter.
» Wer befindet sich sonst noch in dem Gebäude? « , fragte jemand von hinten.
» Im Erdgeschoss gibt es einen Laden und in der ersten Etage ein Büro. Darüber sind Wohnungen. Ich kann nicht sagen, wie viele Leute im Haus wohnen, aber an einem Sonntag dürfte das Büro eigentlich nicht besetzt sein. Wir gehen offensiv rein, schnappen ihn und hoffen, dass er ein bisschen Widerstand leistet, wenn ihr versteht, was ich meine. «
Derwents Eifer überschlug sich förmlich, sodass ich doppelt erleichtert war, in Godleys Team zu sein. Dem Chef war keinerlei Aufregung anzumerken. Allenfalls war seine Stimme noch bedächtiger als sonst, um seine Anspannung bewusst herunterzuspielen und allen zu sagen: ein ganz normaler Einsatz, Festnahme von zwei Entführern und Kinderschändern, die für den Tod eines jungen Mädchens verantwortlich sind. Reine Routine, sonst nichts.
» Und wenn sie nun gar nicht zu Hause sind? « , fragte Maitland. » Sollten wir nicht lieber bis morgen früh warten? «
» Nein, ich will auf keinen Fall noch länger warten. Patricia Farinelli ist möglicherweise in akuter Gefahr. Wenn nötig, bleiben
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