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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Westen die Straße entlang. Godley war ziemlich schnell; ich musste mein Tempo nur ganz kurz verringern, um ihm den Vortritt zu lassen. Im Eingang stieß er fast mit dem CO 19-Gruppenführer zusammen.
    » Was ist los? «
    » Im Schlafzimmer liegt ein Toter. Sieht aus wie eure Zielperson. Ansonsten ist die Wohnung leer. Keine Hinweise auf andere Bewohner. « Der Kollege war blass und rieb sich mit einem Handschuh über den Mund. Dann sagte er: » Er wurde erschossen. Danach. «
    » Wonach? « , wollte ich wissen, aber Godley hörte schon nicht mehr zu. Er schob sich durch den Pulk aus bewaffneten Spezialkräften im engen Flur und betrat das Schlafzimmer. Ich hatte mich dicht an seine Fersen geheftet, da mir klar war, dass ich andernfalls keinen Zutritt bekommen würde.
    » Großer Gott « , murmelte Godley angewidert. Den Grund dafür sah ich augenblicklich beim Hereinkommen. Drew Bancroft– zumindest nahm ich an, dass er es war– lag mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem weißen Dielenboden in seinem Schlafzimmer. Er war nackt und unglaublich tot. Sein Gesicht war vollkommen zertrümmert. So etwas Krasses hatte ich bisher kaum gesehen. Auf den Fotos, die ich von ihm kannte, war er ein attraktiver, überheblicher Typ mit ebenmäßigen weißen Zähnen gewesen. Davon war nichts mehr übrig, alles war von frischem, noch hellrotem Blut überdeckt. Seine Knie waren leicht gebeugt, und seine Ellbogen so gedreht, dass die Hände in Schulterhöhe lagen. Durch seine Handflächen und Füße waren Nägel getrieben, um die Gliedmaßen in dieser Position zu halten. Sein Mund stand offen. Vermutlich hatte ihm jemand einen Gewehrlauf hineingesteckt und abgedrückt, ohne sich darum zu scheren, ihn wieder zu schließen. Spritzer von Blut und Gehirnmasse und Knochensplitter umgaben seinen Kopf wie in Jackson-Pollock-Manier.
    » Riechen Sie das? « Ich drehte mich zu Godley um. » Kordit. Das ist gerade eben passiert. «
    Er starrte immer noch zu Boden und hatte sich viel zu sehr unter Kontrolle, als dass bei ihm – wie bei dem hinter mir stehenden Chris Pettifer – der Magen verrückt gespielt hätte. Trotzdem konnte er den Blick nicht von dem mehr oder weniger unwirklich vor uns liegenden Leichnam wenden, dessen Hinrichtung nahezu perfekt inszeniert worden war.
    » Skinner « , sagte er mehr zu sich selbst.
    » Wie bitte? «
    Es kostete ihn erkennbar einige Mühe, mich anzusehen. » Hier war John Skinner am Werk. Was hat er noch mal von Rache gesagt? « Er deutete auf die Leiche. » Das ist sie. Vergeltung à la Skinner. «
    Maitland, der sich hinter Pettifer durch die Tür drängte, kam mir mit seiner Frage knapp zuvor: » Und was ist mit dem anderen? «
    » Welchem anderen? «
    » Lee Bancroft « , antwortete ich und war schon auf dem Sprung, in Erwartung von Godleys Reaktion. » Wenn sie mit Drew angefangen haben… «
    » …dann ist Lee der Nächste. Und Josh kommt zu spät. « Auf dem Weg zur Tür sah er auf die Uhr. » Sein Team ist wahrscheinlich noch nicht mal unterwegs. «
    Und falls doch, würden sie höchstwahrscheinlich direkt in ein Gemetzel geraten.
    » Harry, versuchen Sie den CO 19-Kommandeur zu erreichen– berichten Sie ihm, was hier los ist. « Godley holte sein Handy heraus und begann nach Derwents Nummer zu suchen. Ich bahnte ihm den Weg durch die Spezialkräfte, die im Flur herumstanden und ihm interessiert hinterherschauten.
    » Soll ich den Wagen holen? «
    » Moment, wir gehen zusammen hin. « Er hatte sein Telefon am Ohr. » Er geht nicht ran. «
    Gleichzeitig rannten wir los, und ich beschloss, dass es diesmal wichtiger war, so schnell wie möglich dort zu sein, als Diplomatie walten zu lassen. Ich hatte mein Funkgerät auf dem Armaturenbrett liegen lassen und den zentralen polizeiweiten Kanal eingestellt. Das hatte ich mir schon zu Beginn meiner Dienstzeit angewöhnt, um immer auf dem Laufenden zu sein, damit ich– falls es schwerwiegende Zwischenfälle in meinem Revier gab– nicht versehentlich hineingeriet. Außerdem war es immer gut zu wissen, was sonst noch los war.
    Was derzeit los war, ließ sich wohl mit Chaos am besten beschreiben, wie ich sofort feststellte, nachdem ich den Ohrhörer eingestöpselt hatte. Zuerst vernahm ich nur zusammenhanglose Wörter; der Rest wurde durch Hintergrundlärm und ein anhaltendes dumpfes Krachen übertönt, das wie Feuerwerk klang. Man hörte laute Rufe, was so ungewöhnlich wie beunruhigend war. Normalerweise versuchten Polizisten so unaufgeregt wie

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