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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Tageslicht herein, aber im März war es um diese Zeit draußen schon dunkel und der Hausflur entsprechend finster. Das einzige weitere Ausstattungsmerkmal bildete eine Reihe von Briefkästen, die neben meiner Wohnungstür an der Wand befestigt war.
    Auf der gegenüberliegenden Seite im Hausflur lag der Eingang zur Nachbarwohnung. Die Tür war weiß gestrichen, namenlos und nur angelehnt. Durch den Türspalt sickerte das Knattern von elektronischem Kugelhagel, der vertraute Klang eines actionreichen Computerspiels, und ich war kein bisschen überrascht, Decs Stimme zu vernehmen, die einen völlig überdrehten Live-Kommentar dazu lieferte.
    Da auf mein Klopfen keine Antwort kam, schob ich die Tür auf und folgte den Schießgeräuschen ins Wohnzimmer. Die Wohnung war wie eine gespiegelte Version meiner eigenen, obwohl ihr das riesige Erkerfenster fehlte, welches der eigentliche Grund war, weshalb ich mich in meine neue Bleibe verliebt und dabei ein paar ziemlich schwerwiegende Mängel übersehen hatte. Das Erkerfenster zeigte hinaus auf einen kleinen Park mit einem eisernen Zaun ringsherum. Um diese Jahreszeit schmückten sich die kahlen Zweige bereits mit frischen grünen Trieben. Ich hätte stundenlang einfach nur hinausschauen können, was ich auch fest vorhatte, sobald meine Zeit es erlaubte– falls es jemals dazu kam. Ich hatte vorher noch nie eine schöne Aussicht gehabt und freute mich jeden Morgen, wenn ich aus dem Fenster sah. Mein Nachbar hatte zwei schmale Fenster, die den gleichen Ausblick geboten hätten, wenn ihn nicht schwere Vorhänge versperrt hätten. Kein Lichtstrahl fiel herein, damit auf dem Bildschirm nichts reflektierte. In dieser Wohnung hatten eindeutig Computerspiele das Sagen, das sah ich sofort. Mehrere Spielkonsolen lagen auf dem Fußboden verteilt, die Kabel waren wie durch ein Wunder nicht völlig verheddert, führten aber in alle Richtungen. Regale voller Spiele säumten die Wand, und ich konnte kein einziges Buch entdecken.
    Zwei Multimediasessel standen vor einem riesigen Breitbildfernseher, wo gerade ein animierter Uniformträger den Zuschauer todernst über die bevorstehende Mission informierte.
    » Wie ich diesen Quatsch hasse « , kam es aus dem linken Sessel, wo mein Bruder mit einem Controller auf dem Schoß saß.
    » Ich auch. Lass endlich krachen und hör auf mit dem Gequatsche. «
    » Wer braucht denn eine Story? Ist doch eh alles Blödsinn. Baller alles weg, was grau aussieht, dich anschreit oder ’ne Knarre in deine Richtung hält, und versuch, nicht selbst draufzugehen. Mehr braucht man doch wohl nicht zu wissen. «
    Dem festen Bund getreuer Herzen soll kein Hindernis erstehn.
    » Entschuldigt die Störung, Jungs… «
    Die beiden drehten sich zu mir um, Dec mit einem hämischen Gesichtsausdruck und mein Nachbar mit einem Lächeln. Er stand eilig auf und streckte mir die Hand entgegen, wobei sich zeigte, dass er um etliche Zentimeter kleiner war als ich. Er hatte zerzauste blonde Haare, einen fusseligen Ziegenbart, eine kleine Stahlrandbrille, die ihm permanent auf die Nase rutschte, und ein schüchternes, schiefes Grinsen, das auf Anhieb sympathisch wirkte.
    » Ich bin Chris. Chris Swain. Tut mir leid, dass ich Ihren Bruder aufgehalten habe. «
    » Im Gegenteil. Vielen Dank, dass Sie ihn unter halten haben. « Ich sah zu Dec hinab. Die Zunge hing ihm seitlich aus dem Mund, so sehr konzentrierte er sich darauf, seine Maschinenpistole zu bedienen. » Alles klar, Dec? Tut mir leid, hat mal wieder länger gedauert auf der Arbeit. «
    Keine Antwort. Ich wandte mich wieder meinem Nachbarn zu. » Jetzt haben Sie nur das Problem, ihn wieder loszuwerden. Das hier sind seine absoluten Traumbedingungen. Er ist schon so gut wie bei Ihnen eingezogen. «
    » Ich spiele nur noch schnell dieses Level zu Ende « , kam es vom Fußboden, wo mein Bruder gerade 15 seiner Lebensjahre und jegliches Bewusstsein dafür abgelegt hatte, dass er ein verheirateter Vater von zwei Kindern war und gerade voll und ganz darin aufging, alles niederzumetzeln, was sich auf dem Bildschirm bewegte. » Chris macht das hauptberuflich. «
    Ich hob die Augenbrauen, und Chris grinste leicht verlegen. » Ich schreibe für ein paar Zeitschriften Kritiken zu Spielen und Spielkonsolen. Und ich habe ein ziemlich bekanntes Blog, deshalb bekomme ich ständig neues Zeug einfach so zugeschickt. Besonders erwachsen ist das nicht, aber es macht Spaß, und ich kann mich damit über Wasser halten. «
    » Klingt nach einem

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