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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Traumjob. « Ich sagte ihm nicht, was ich beruflich machte. Man kann schließlich nie wissen, wie die Leute reagieren. Fremden gegenüber erwähne ich es generell nicht. Selbst absolut gesetzestreue Menschen wurden manchmal sehr nervös, wenn sie erfuhren, dass ich theoretisch in der Lage wäre, sie zu verhaften. » Tut mir leid, dass ich euren Abend gestört hab. Und dass ich ungebeten in Ihre Wohnung eingedrungen bin. «
    » Nein, nein. Ich hatte Sie schon vorher hier gesehen und im Grunde auf eine Gelegenheit gehofft, Sie kennen zu lernen. « Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und wirkte jetzt sichtlich befangen. » Also, ich meine– o Mann, das klingt ja furchtbar aufdringlich– ich finde nur, dass es nett ist, wenn man seine Nachbarn kennt. Ist ja manchmal gar nicht leicht, mit anderen Leuten in Kontakt zu kommen. Besonders in London. «
    » Woher sind Sie denn? «
    » Aus Suffolk. Gar nicht so weit weg von London, aber eine völlig andere Welt. Dort kennt jeder jeden. «
    » Klingt nach ’nem triftigen Grund, von dort wegzuziehen. «
    » Da haben Sie vielleicht Recht. « Er lachte ein klein wenig zu herzlich. Er erholt sich noch von der vorangegangenen Verlegenheit, diagnostizierte ich und lächelte, damit er sich besser fühlte. » Und Sie? « , fragte er.
    » Ach, ich bin in der Vorstadt groß geworden und daran gewöhnt, dass Londoner sich gegenseitig ignorieren. «
    » Also, ich bin jedenfalls froh, dass er mich nicht ignoriert hat « , befand Dec und legte seinen Controller ab, während sich der Bildschirm schwarz färbte. Game over, you are dead. Er stand auf, und ich trat unwillkürlich einen Schritt zurück, als mir auffiel, dass wir beide Chris deutlich überragten. Dec war über 1,90 Meter groß und außerdem so kräftig, dass er einiges an Raum beanspruchte.
    » Und, wo warst du so lange? « , fragte Dec in seinem typischen Großer-Bruder-Ton, der mich augenblicklich in Abwehrhaltung versetzte.
    » Hab ich dir doch gesagt, ich bin aufgehalten worden. Kannst du mir noch schnell helfen, die Kisten in meine Wohnung zu tragen, bevor du gehst? Wenn ich das allein machen muss, brauch ich dafür ewig. «
    » Was denkst du denn, warum ich hier noch rumhänge? « Er streckte sich. » Ich musste Mum versprechen, dass ich die Dinger persönlich zu dir reinbringe. Anscheinend hat sie dir ein paar ihrer kostbarsten Besitztümer vermacht. «
    » Na toll. « Ich gab mir keine Mühe, erfreut zu klingen. Mum hatte kürzlich viel Zeit damit zugebracht, ihren Dachboden auszumisten. Entsetzt darüber, wie wenig Hausrat ich in den vergangenen 28 Jahren angehäuft hatte und inzwischen bar jeder Hoffnung, dass ich in nächster Zeit heiraten könnte, ging sie nunmehr dazu über, mir die Sachen zu übereignen, die sie für mich aufbewahrt hatte. Unmöglich, das abzulehnen, ohne sie zu beleidigen.
    » Da ist Geschirr drin, soweit ich weiß. Ich musste ihr versprechen, dass ich vorsichtig damit bin. «
    » Na ja, das kann ich wenigstens gebrauchen. Bis jetzt hab ich von Papptellern gegessen. « Zu Chris sagte ich: » Entschuldigen Sie bitte nochmals. Wir lassen Sie jetzt in Ruhe Ihren Feierabend genießen. «
    Er schob die Hände in die Hosentaschen und stellte sich auf die Außenkanten seiner Füße, was schon einer Karikatur von Schüchternheit gleichkam. » Ich könnte mithelfen. Also, Kisten tragen kann ich ziemlich gut. «
    Ich zögerte, weil ich mir nicht sicher war, ob ich meinen neuen Nachbarn in meine Wohnung lassen wollte. Andererseits widerstrebte es mir, Hilfsangebote so einfach auszuschlagen. Andererseits wollte ich ihn auch nicht ausnutzen, denn das hatten wir an diesem Abend schon genug getan.
    » Oh, klasse. « Dec war völlig frei von solchen Bedenken. » Je mehr Leute mit anpacken, umso besser. Da sind wir doppelt so schnell fertig. «
    » Okay. Wo fangen wir an? «
    Ich ging voran in den Hausflur, wo wir die Umzugskisten mit einem sehr unterschiedlichen Grad an Begeisterung musterten, angefangen bei Dec (null) bis hin zu Chris (enthusiastisch). Ich rangierte irgendwo dazwischen und war immerhin ein bisschen neugierig auf den Inhalt der Kartons. » Okay, Jungs. Wenn ihr sie reintragt, sage ich euch, wo sie hinsollen. «
    Dec kniff die Augen zusammen. » Hab ich das gerade richtig verstanden? Wir schleppen, und du stehst da und gibst Anweisungen? Meinst du das? «
    » Sozusagen, ja « , räumte ich ein.
    » Klingt doch okay. « Chris war eindeutig daran interessiert, den Frieden zu wahren. Ich

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