Der Ungnädige
Gerechtigkeit.
» Er war schon ein paar Jahre im Ruhestand, als sie ihn ins Visier genommen haben. Hat sofort gestanden. Das und seine angeschlagene Gesundheit haben ihm eine Haftstrafe erspart. Allerdings ist er unter dem Stress zusammengebrochen– und deshalb eben ins Krankenhaus gekommen. Komplizierte Herz- OP , die er aber gut überstanden hat. Nach seiner Genesung wusste er nicht, wo er hin sollte. Das Seniorenheim wollte ihn nicht mehr, da er ja kein Priester mehr war. Die hatten wahrscheinlich Angst, dass er die anderen auch noch versaut. «
Wieder dieses anzügliche Grienen. Unwillkürlich presste ich die Zähne aufeinander. Mühsam fragte ich: » Und wie ist er dann hier gelandet? «
» Als er noch jünger war, hat er in dieser Gegend mal gearbeitet. Die Wohnung gehört einer Familie, die in der Nähe wohnt, ehemalige Gemeindemitglieder, die mit ihm Kontakt gehalten haben. In der Wohnung hat die Mutter gewohnt, die aber letztes Jahr gestorben ist. Sie haben mitbekommen, was mit Pater Fintan passiert ist, als sie sich wegen der Beerdigung bei ihm gemeldet haben. Und als sie hörten, dass er eine Bleibe braucht, haben sie ihm die Wohnung für umsonst angeboten. Hätte eigentlich dringend renoviert werden müssen, aber ihm war das egal. «
» Man hätte ja denken können, dass sie ihn angesichts seiner Vergangenheit lieber gemieden hätten. «
» Christliche Nächstenliebe, nehme ich mal an. « Er zuckte die Schultern. » Vielleicht haben sie es einfach nicht für möglich gehalten, dass Pater Fintan zu so schrecklichen Sachen fähig war. Und anscheinend war die Mutter ihm treu ergeben. «
» Die Leute glauben halt, was sie glauben wollen. « Etwas ratlos sah ich ihn an. » Wie haben Sie das eigentlich alles rausgefunden? «
» Mit Hilfe von Mrs. Mary Driscoll, die so eine Art inoffizielle Haushälterin bei ihm war. Sie ist auch diejenige, die heute früh die Leiche entdeckt hat. «
Das war erst wenige Stunden her. » Was hat Dr. Hanshaw zur Todeszeit gesagt? «
» Den üblichen Stuss von wegen, dass er das noch nicht mit Sicherheit sagen kann. Aber ich hab zumindest aus ihm rausgekriegt, dass es wahrscheinlich nicht sehr lange vor der Entdeckung der Leiche war. Also eher heute Morgen als letzte Nacht. «
» Das hilft doch schon. Hatte Mrs. Driscoll einen Schlüssel? «
» Ja, hatte sie. Sie wohnt ein paar Häuser weiter. Hat für ihn eingekauft, saubergemacht, Wäsche gewaschen und zum Trocknen aufgehängt. Sie können sie liebend gerne nachher selbst befragen. Mir persönlich reicht es vorerst. Dabei wollte ich nur wissen, ob sie das Opfer kannte. «
» Klingt, als hätte er ein sehr zurückgezogenes Leben geführt « , überlegte ich. » Vermutlich ist er kaum jemandem aufgefallen, wenn sie seine Einkäufe und Putzarbeiten erledigt hat. Hat er überhaupt je das Haus verlassen? «
» Er ist jeden Tag zur Messe gegangen. Sicher weil er dort um Vergebung bitten wollte. Aber das war’s dann auch schon. «
Ich hatte die kleine graue Kirche gesehen, die im 19.Jahrhundert– vermutlich für die irischen Einwanderer– aus behauenem Naturstein errichtet worden war. Von der Wohnung des ehemaligen Priesters dorthin waren es nur ein paar hundert Meter, also gut zu Fuß erreichbar. Sicher kein strapaziöses Unterfangen für ihn. » War er in der hiesigen Gemeinde gut bekannt? «
» Nicht bei den jüngeren Leuten. Laut Mrs. Driscoll konnten sich ein paar Leute noch daran erinnern, dass er mal hier gearbeitet hatte, aber die meisten wussten nichts von seiner Verurteilung. «
» Irgendwelche Hinweise auf fragwürdige Verhaltensweisen, während er hier war– gelegentlich vielleicht? «
» Sie hat nichts davon erwähnt. « Derwent schüttelte den Kopf. » Aber wie gesagt, fragen Sie sie am besten selbst. Falls Sie es schaffen. Mich hat sie nicht zu Wort kommen lassen. «
» Er hat also völlig zurückgezogen gelebt, und sie haben ihn trotzdem gefunden. «
» Wer auch immer, ja. «
» Unser Spezi? «
» Sieht ganz so aus. Wäre ein ziemlich merkwürdiger Zufall, wenn hier noch jemand anders gerade auf dem Trip wäre, Pädos umzubringen. «
» Wurde er gefoltert? «
» Und wie « , sagte Derwent leichthin und lehnte sich an die Wand, als würden wir uns gerade über Fußball oder das Wetter unterhalten und nicht über tödliche Gewalt. » Sobald es da drin ein bisschen leerer wird, gehen wir uns die Leiche ansehen. «
» Lieber nicht « , erwiderte ich etwas zu hastig. » Ich meine, also, ich kriege
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