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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Erinnerung, untrennbar mit Ferientagen in Irland verbunden, die ich mir nicht von einem Mordfall zerstören lassen wollte.
    » Sie wollen mir doch jetzt nicht erzählen, dass Religion und Aberglaube zwei verschiedene Dinge sind. «
    » Nie im Leben. « Vor allem deshalb, weil theologische Diskussionen mit Derwent sicher weder unterhaltsam noch produktiv waren. » Also, was ist passiert? Wer ist das neueste Opfer? «
    Derwent drückte sich gegen die Wand, um einen Kriminaltechniker vorbeizulassen, und verzog das Gesicht. » Wir stehen im Weg. Das da drüben ist die Küche. Am besten bringe ich Sie dort mal auf den neuesten Stand. «
    Die Küche war klein und altmodisch, aber im Wesentlichen aufgeräumt. Es gab nur wenige Möbel. Für Tisch und Stühle war nicht genug Platz, aber ein hölzerner Hocker unter der Arbeitsfläche neben der Tür bot einen Platz, wo man sitzen und einigermaßen bequem essen konnte. Ein Baumwollvorhang verdeckte die Schränke in der unteren Reihe. In den offenen Regalen darüber standen bunt zusammengewürfelte Geschirrteile und Gläser. Angesichts meines eigenen, ähnlich planlosen Haushalts fühlte ich mich hier durchaus heimisch. Es gab eine kleine Speisekammer. Ein halbleeres Marmeladenglas stand neben einer Untertasse mit einem Stück Butter darauf, dahinter lag ein Brotlaib. Im Regal darunter sah ich eine Pappschachtel mit Teebeuteln und eine kleine Zuckerdose. Derwent bückte sich, um den kleinen Kühlschrank zu öffnen und seinen Inhalt zu inspizieren. Es hatte etwas Rührendes, die Halbliterpackung Milch in der Kühlschranktür zu sehen, das in Frischhaltefolie gewickelte Stück Cheddar und die auf einem Teller mit Tomaten angerichteten Schinkenscheiben für eine Mahlzeit, die nie stattfinden würde. Alles wirkte ganz schlicht und spartanisch. An der Wand hing ein Kalender, das Bild im März zeigte ein in Gardinen schaukelndes Kätzchen. Es gab keinerlei Einträge. Ich blätterte ein paar Monate zurück und sah nur leere Seiten, süße Tierkinder, ein leeres Leben.
    Das Einzige, was sich offenbar nicht an seinem Platz befand, war eine Tasse mit einem Teebeutel darin, die auf der Arbeitsfläche neben dem altersschwachen Gasherd stand, wo der Wasserkessel seitlich von der Kochstelle gerutscht war. Es sah ganz so aus, als wäre jemand beim Teekochen gestört worden und hätte den Wasserkessel zu hastig auf den Herd zurückgestellt. Auf Herd und Fußboden glänzten kleine Wasserlachen.
    Urplötzlich wollte ich überhaupt nichts weiter wissen über das Opfer und was sich im Schlafzimmer am Ende des schmalen Flurs befand. Ich wollte raus aus dieser tristen Küche und dem dämmerigen Flur mit dem armseligen Weihwassergefäß, das dort schief an der Wand hing. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich mich gerade an einem Ort des Verbrechens befand.
    » Die Leiche des Tages ist Mr. Fintan Kinsella, 80 Jahre alt « , verkündete Derwent, wie immer im völligen Kontrast zu meiner Stimmungslage. Er hatte die zweite Silbe des Nachnamens betont, so wie Engländer das meistens tun. Kin- SELL -er. » Einer von Ihrem Schlag. «
    » Meinem was? «
    » Ire. «
    » Dann wird sein Name allerdings KIN -sella ausgesprochen. «
    Ungerührt winkte er ab. » Hat seit neun Monaten hier gewohnt. «
    » Und vorher? «
    » Krankenhaus. Herzprobleme. Davor war er in einem Heim für pensionierte Priester in Liverpool. Hat sich in den Siebzigern anscheinend damit beschäftigt, in seiner Kirchgemeinde kleine Jungs zu belästigen. «
    Ich schloss kurz die Augen. Genau das hatte mir noch gefehlt.
    » Verurteilt? «
    » Letztendlich ja. Er wurde erst angezeigt, als andere Gerichtsverfahren in den Schlagzeilen auftauchten. Da wollten plötzlich alle testen, wie weit sie mit einer Anzeige kommen. Pater Fintan war nicht gerade ein Schwerverbrecher. Er hat mit den Jungs Fußball trainiert und ihnen danach gerne mal beim Duschen zugeschaut. Hat gelegentlich vorgeschlagen, dass einige von ihnen im Gemeindehaus duschen und er das Handtuch hält. Offenbar ohne Anfassen. Nicht schön, nicht rechtens, aber nicht so schlimm wie manch anderer von der Sorte. Ich hab das Gefühl, dass die meisten es nicht so schwer genommen hatten, bis sie auf die Idee gekommen sind, dass so eine Anzeige ja Geld bringen kann. «
    Ich stimmte nicht unbedingt mit Derwents Ansicht überein. Die öffentliche Aufmerksamkeit für die anderen Verfahren hat vielleicht weitere Opfer ermutigt, aber doch nicht unbedingt wegen des Geldes. Eher wegen der

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