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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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lieber Ihren Kopf checken. Sie bluten ja. «
    Das war nun wirklich die geringste meiner Sorgen. Ich sah an ihm vorbei zu Godley. Der saß mit gesenktem Kopf da und presste sich das Telefon ans Ohr. Dann stützte er den Kopf in die freie Hand, deren Knöchel von der Auseinandersetzung ganz rot und aufgerieben waren. Er wirkte niedergedrückt, als wäre er und nicht Skinner zusammengeschlagen worden. Seine Stimme klang völlig anders als sonst, schon fast panisch, und die Worte, die er ständig wiederholte, erklärten auch, warum.
    » Er weiß meine Adresse, Bill. Woher weiß er meine Adresse? Woher, verdammt noch mal, weiß er meine Adresse? «

10
    Wie bei größeren Verhaftungen mittlerweile leider schon üblich, endete auch diese für mich wieder im Krankenhaus. Nur mit dem Unterschied, dass ich diesmal nicht bewusstlos eingeliefert wurde, sondern immerhin noch aufrecht gehen konnte und mich nur wegen einiger Verletzungen durchchecken lassen musste. Ein Sanitäter hatte mich am Tatort kurz untersucht und festgestellt, dass ich vermutlich keine Gehirnerschütterung hatte, wahrscheinlich nichts genäht werden musste und meine Hand wohl auch nicht gebrochen war. Aber Godley hörte immer nur » vermutlich « und » wahrscheinlich « und schickte mich umgehend in die Notaufnahme. Das ging zwar prinzipiell in Ordnung, nur lenkte es unnötig Aufmerksamkeit auf meine wenig heroische Rolle bei John Skinners Fluchtversuch, und obendrein verpasste ich die Party des Teams anlässlich der Skinner-Festnahme. Am nervigsten war allerdings die dreistündige Wartezeit, in der ich über meine Blessuren nachdenken konnte, während in einem fort Leute mit schwerwiegenderen Verletzungen aufgerufen wurden. Meine einzige Ablenkung war eine Zeitschrift, die jemand vergessen hatte. Sie strotzte vor fetten Überschriften und Horrorgeschichten aus dem prallen Leben, die sich beim Lesen allerdings meist als kompletter Blödsinn herausstellten. Trotzdem tat ich mir » 95 Kilo abgespeckt– mit Fastfood « und » Opa ist der Vater meines Kindes « in voller Länge an. Die Alternative war ein Plakat über Malaria. Was half’s.
    Irgendwann war ich bei den Horoskopen angekommen und ärgerte mich maßlos über mein eigenes: » Auch wenn Sie sich nicht gern etwas sagen lassen, ist es höchste Zeit, auf jemanden zu hören, der Ihnen nahesteht. In diesem Fall hat er nämlich Recht und nicht Sie! « Diesen Unsinn konnte ich unmöglich weiterlesen. Ungehalten warf ich das Heft auf den leeren Stuhl neben mir und schaute kurz auf. In diesem Moment entdeckte ich Godley, der groß und imposant in der Tür stand und suchend im Wartezimmer umhersah. Offensichtlich hatte er seine gewohnte unerschütterliche Ruhe wiedergefunden. Überrascht hob ich die Hand und winkte ihm zu, bis er mich entdeckt hatte. Seine Miene hellte sich auf. Dann wandte er sich kurz um und sagte etwas über die Schulter. Im nächsten Augenblick tauchte Derwent neben ihm auf, was mich noch mehr beunruhigte. Als sie durch den überfüllten Raum auf mich zukamen, rang ich mir ein Lächeln ab. Es passte mir überhaupt nicht, dass die beiden mich hier so lädiert zu Gesicht bekamen. Ich wollte, dass Godley in mir eine zuverlässige Mitarbeiterin sah und nicht eine Last. Und Derwent wollte ich eigentlich so wenig wie möglich sehen. Denn sobald er an mir eine Schwäche bemerkte, nutzte er sie gnadenlos aus, weshalb augenblicklich meine Alarmglocken schrillten.
    » Was verschafft mir die Ehre? « , fragte ich, sobald sie in Hörweite waren. » Haben Sie denn nichts Wichtigeres zu tun? «
    » Wir stehen ganz unten auf der langen Liste der Leute, die mit John Skinner reden wollen. Da werden wir vor morgen früh nicht zum Zuge kommen. Und wir wollten noch mal sehen, ob mit Ihnen alles in Ordnung ist. « Derwent hatte seine Unschuldsmiene aufgesetzt und legte besorgt die Stirn in Falten. » Sind Sie denn schon untersucht worden? «
    » Bisher war nur eine Schwester da, um abzuklären, ob ich ein Notfall bin. Und das bin ich nicht « , fügte ich schnell hinzu. » Eigentlich kann ich auch gleich nach Hause fahren. «
    » Kommt nicht in Frage. « Godley ließ sich auf einem Stuhl mir gegenüber nieder und verzog für den Bruchteil einer Sekunde vor Schmerzen das Gesicht.
    » Und ist bei Ihnen alles okay? «
    » Nur ein paar ältere Blessuren, nichts weiter « , wehrte er ab, und ich bereute sofort, ihn darauf angesprochen zu haben. Nach einem kurzen Moment räusperte er sich, und zwar so verlegen,

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