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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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von einem Wahnsinnigen geleitet wird. Und ich sage Ihnen, es gibt Verrückte, die ganz logisch zu handeln vermögen, und wenn sie noch dazu reich sind, so können sie ihre krausen Ideen sogar in die Tat umsetzen. Aber zuletzt« – und dabei zuckte er die Achseln –, »zuletzt muss es doch ein Ende mit Schrecken nehmen. Denn das sehen Sie doch selbst, was hier vorgeht, ist nicht gesund und nicht vernünftig. Und das Unvernünftige muss schließlich immer die Waffen strecken. Bisher jedoch« – er zuckte abermals die Achseln – »gefällt es mir hier ganz ausgezeichnet.«
    Auch Torquil Ericsson, von dem Sylvia angenommen hatte, dass er sich eigentlich furchtbar getäuscht fühlen müsse, schien zufrieden zu sein. Weniger praktisch veranlagt als der Franzose, lebte er gänzlich in seinen eigenen Vorstellungen. Und seine Welt war Sylvia so fremd, dass sie gar nicht verstand, was da in seinem Kopf vorging. Er schwelgte offenbar in Zukunftsträumen, die ihr ganz fernlagen. Er gehört zu denjenigen jungen Menschen, so sagte sie sich, die drei Viertel der ganzen Menschheit am liebsten vernichten würden, damit das vierte Viertel in der absurden Scheinwelt leben kann, die lediglich in Ericssons Einbildung vorhanden ist.
    Mit dem Amerikaner Andrew Peters verstand sie sich weit besser. Möglicherweise auch deshalb, weil er zwar ein begabter, aber keineswegs genialer Mensch war. Wie sie von seinen Mitarbeitern hörte, war er sehr tüchtig in seinem Fach, ein kluger und gewissenhafter Arbeiter, aber durchaus kein Bahnbrecher. Wie sie selbst, so hatte auch Peters vom ersten Augenblick an die Atmosphäre der Kolonie gehasst.
    »Ehrlich gestanden, ich habe gar nicht gewusst, wohin es ging«, sagte er, »ich glaubte es zu wissen, aber ich irrte mich total. Die Kommunistische Partei hat mit dieser Niederlassung hier nichts zu tun. Wir haben keine Verbindung mit Moskau. Dies hier ist eine Sache für sich – vielleicht eine faschistische.«
    »Müssen Sie denn bei allem an irgendeinen politischen Zusammenhang denken?«
    »Vielleicht haben Sie Recht«, erwiderte er nachdenklich, »man kommt schließlich zu der Überzeugung, dass die Begriffe, mit denen man da herumwirft, nichts zu bedeuten haben. Aber eins weiß ich sicher: Ich möchte weg von hier, und ich werde es auch fertigbringen.«
    »Es wird nicht leicht sein«, meinte Sylvia leise. Dieses Gespräch fand auf dem Dachgarten neben dem plätschernden Springbrunnen statt. Bei dem matten Sternenschein hätte man glauben können, im Garten eines Sultans auf und ab zu wandeln. Denn von hier aus waren die nüchternen Zweckgebäude der Kolonie nicht zu erkennen.
    »Ach, wie gern höre ich das Plätschern, wie gern.«
    Er sah teilnehmend auf sie herab. »Sie sind niedergeschlagen, nicht wahr?«
    »Ja, ziemlich. Ich habe Angst, ich könnte mich an all das gewöhnen«, sagte Sylvia.
    »Ja, das kann ich verstehen«, sagte er nachdenklich, »hier herrscht so eine Art von Massensuggestion. Man ist sich dessen bewusst, unternimmt aber nichts dagegen.«
    »Es käme mir viel natürlicher vor, wenn sich die Leute dagegen auflehnen würden.«
    »Ja, das habe ich auch schon gedacht. Ein- oder zweimal kam es mir vor, als ob sie hier irgendeinen Hokuspokus machen.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nun, dass man uns etwas ins Essen oder in die Getränke mischt.«
    »Denken Sie an eine Droge?«
    »Ja, das wäre nicht unmöglich. Etwas, das uns – wie soll ich mich ausdrücken – fügsam macht.«
    »Aber gibt es denn ein solches Mittel?«
    »Das schlägt eigentlich nicht in mein Fach. Ich weiß nur, dass es Mittel gibt, die man den Leuten verabreicht, um sie vor einer Operation oder dergleichen zu beruhigen. Ob es etwas ist, das man ihnen längere Zeit geben kann, ohne dass ihre Leistungsfähigkeit sich vermindert – das weiß ich nicht. Aber es gibt vor allem eine seelische Beeinflussung. Wir haben hier sicher Leute, die gut über Hypnose und Psychologie Bescheid wissen. Auch glaube ich, dass wir, ohne es gewahr zu werden, in einer Weise behandelt werden, die uns alles hier schön und gut erscheinen lässt. Auf diesem Wege lässt sich sehr viel erreichen, und die Kerle hier verstehen ihr Handwerk.«
    »Aber wir dürfen uns nicht beeinflussen lassen«, rief Sylvia hitzig, »wir dürfen keinen Moment denken, hier sei alles schön und gut.«
    »Was sagt Ihr Mann dazu?«
    »Tom? Oh – er ist so schwierig.« Sie brach ab und schwieg. Unmöglich konnte sie Andrew Peters ihre sonderbare Lage

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