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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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begrüßen, die den Wunsch hegten, sich unserer Gemeinschaft anzuschließen.«
    Dann richtete er an jeden der Neuankömmlinge ein paar kurze Begrüßungsworte. Hierauf begann er von dem Zweck und den Zielen »unserer Gemeinschaft« zu sprechen.
    Als Sylvia sich später ins Gedächtnis rufen wollte, was er eigentlich gesagt hatte, war ihr dies ein Ding der Unmöglichkeit. Denn sobald die dunklen, durchdringenden Augen und der Klang seiner zündenden Stimme fehlten, schien der ganze Inhalt seiner Rede nur eine Reihe von Gemeinplätzen gewesen zu sein. Solange der Mann auf dem Podium seine Sätze geformt und der Schar atemlos Horchender zugerufen hatte, schienen sie Weisheit und Einsicht zu enthalten. Er richtete sie vor allem an die Jugend und sagte unter anderem:
    »Angehäufter Wohlstand, Klassenhochmut, einflussreiche Familienverbindungen, aus ihnen haben sich die herrschenden Kräfte der Vergangenheit zusammengesetzt. Aber heute liegt die Herrschaft in den Händen der Jugend. Wissen ist Macht! Jene Macht, die im Gehirn des Chemikers, des Arztes, des Physikers ihren Ursprung hat… Aus den Laboratorien wächst uns die Möglichkeit der Zerstörung im weitesten Ausmaß zu. Mit diesen Machtmitteln in Händen können wir sagen: Unterwirf dich – oder geh zu Grunde! Diese Machtfülle darf aber nicht den Händen einer einzelnen Nation anvertraut werden. Die Macht gehört denen, die sie geschaffen haben! Diese unsere Gemeinschaft ist der Sammelplatz der Weltmacht. Ihr kommt hierher aus allen Teilen der Welt und bringt eure schöpferische Forscherkraft mit. Und mit euch bringt ihr die Jugend! Keiner von euch ist mehr als fünfundvierzig Jahre alt. Wenn der Tag gekommen ist, so werden wir einen Trust gründen: den Gehirntrust der Wissenschaft. Und wir werden den Lauf der Welt bestimmen. Wir werden unsere Botschaften und Befehle an die Kapitalisten, die Könige, die Heere und die Industrien senden. Wir werden der Welt den Pax Scientifica, den Frieden der Wissenschaft, schenken.«
    Und so ging es weiter. Aber es waren nicht die Worte, die die Sinne umnebelten und den Kopf verwirrten – es war die Persönlichkeit des Redners, der diese sonst so kühle und kritische Versammlung fortriss und einer Macht unterwarf, die keinen Namen hatte.
    Der Direktor schloss mit den Worten: »Durch Kampf zum Sieg! Gute Nacht!«
    Sylvia verließ den Raum in einer exaltierten Verfassung, und sie stellte auf den Gesichtern der anderen dieselbe Hingerissenheit fest. Besonders fiel ihr Ericsson auf, dessen sonst so farblose Augen glühten. Dann aber fühlte sie Peters’ Hand auf ihrem Arm. Er flüsterte ihr ins Ohr:
    »Kommen Sie aufs Dach! Wir haben frische Luft nötig.«
    Schweigend fuhren sie mit dem Lift hinauf und stiegen aus. Die Palmen rauschten, und vom Himmel blinkten die Sterne. Peters atmete tief und wie befreit auf.
    »Ja«, sagte er, »das brauchen wir jetzt: Reine Luft, um diesen Nebel zu vertreiben, der uns betäubt hat.«
    Auch Sylvia seufzte tief auf. Sie fand sich noch nicht wieder in der Wirklichkeit zurecht.
    Er gab ihr einen freundschaftlichen Puff. »Kommen Sie zu sich, Olivia!«
    »Die Weltherrschaft der Wissenschaft«, sagte Sylvia, »ja, das wäre wohl schön!«
    »Kommen Sie zu sich. Kehren Sie auf die Erde und zur Realität zurück. Wenn sich die Wirkung dieses Giftgases verflüchtigt hat, so werden Sie einsehen, dass Sie auf einen alten Schwindel hereingefallen sind.«
    »Aber es wäre schön – ich meine, ein herrliches Zukunftsbild.«
    »Zum Kuckuck mit den Zukunftsträumen. Fassen Sie die Tatsache ins Auge. Jugend und Gehirnarbeit – na schön! Und woraus setzt sich diese Jugend samt Gehirnen zusammen? Aus Helga Needheim, einer erbarmungslosen Egoistin. Aus Torquil Ericsson, einem weltfremden Träumer. Aus Dr. Barron, der seine Großmutter an den Abdecker verschachern würde, um noch bessere Möglichkeiten für seine Forschungen zu bekommen. Sehen Sie mich an, einen ganz gewöhnlichen Burschen, wie Sie selbst gesagt haben, der zur Untersuchung von Nahrungsmitteln gerade gut genug ist, aber keinerlei Talent zur Leitung eines Büros besitzt und eines Tages die Welt regieren helfen soll! Nehmen Sie Ihren eigenen Mann – ja, das muss ich Ihnen sagen –, ein Mann, dessen Nerven immer wieder versagen und der nur in der Furcht vor Vergeltung lebt. Ich habe Ihnen nur die Leute genannt, die wir am besten kennen – aber so sind sie alle hier, alle, die meinen Weg gekreuzt haben. Genies, wenigstens einige von ihnen, eignen

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