Der Unheimliche
Heights
zurückkehrte, entsann ich mich plötzlich, daß sie — ja, daß sie mal ein paar
Leute, die gestorben waren, zurechtgemacht hatte. Das kommt in diesem Beruf
vor. Eine Frau, die Jahre hindurch Kundin eines Schönheitssalons war, stirbt
eines Tages. Der Bestattungsunternehmer bittet das Mädchen, das sie früher
behandelte, ob es sie nicht für die Bestattung etwas herrichten könnte. Es fiel
mir also ein, daß Leila es ein paarmal getan hatte. So dachte ich, vielleicht
hatte sie bei einem Bestattungsunternehmer eine Stellung angetreten. Ich konnte
es ganz einfach nicht glauben, daß sie mir davongelaufen sei. Ich hatte das
Gefühl, daß sie sich irgendwie in ernsthaften Schwierigkeiten befände und
wollte ihr helfen.«
Ich schenkte ihm trotz allem
sein Glas wieder voll, denn ich fand, daß er es verdient hatte. »Das war gut
überlegt, Mr. Bond«, sagte ich zu ihm. »Und Ihre Ahnung hat sich also
bewahrheitet.«
»Schließlich spürte ich sie
auf«, berichtete er weiter. »Ich kam nach Pine City
und nahm mir hier ein Zimmer in einem Hotel. Ich rief sie an, und sie sagte
mir, sie würde sich eines Abends mit mir treffen.
Sie war nicht sehr froh, mich
zu sehen. Sie erzählte mir, sie hätte mit ihrem Leben in Vale Heights
abgeschlossen und damit auch mit mir. Ich erwiderte ihr, ich könnte es ihr
nicht glauben. Es stecke noch mehr dahinter. Sie verberge mir etwas. Da wurde
sie wütend und lief mir ganz einfach davon. Heute rief ich mm wieder an, in der
Hoffnung, sie könnte es sich überlegt haben. Und da war sie bereits tot, bevor
ich noch den Hörer aufgehoben hatte!«
Ich wartete einen Augenblick,
bis er noch mehr Whisky getrunken hatte.
»Sie hatte ganz oben am rechten
Arm ein Tätowierungszeichen«, sagte ich. »Haben Sie eine Ahnung, was dies zu
bedeuten hatte?«
»Eine Tätowierung?« Er starrte
mich an. »Leila hatte niemals eine Tätowierung an ihren Armen!«
»Aber sie hatte eine, als man sie
fand. Wie ein Dollarzeichen, aber mit nur einem Strich, und der war
geschlängelt und hatte auch den Kopf einer Schlange. Können Sie sich
vorstellen, was das zu bedeuten hat?«
Bond schüttelte heftig den
Kopf. »Sie muß es sich erst in allerjüngster Zeit haben machen lassen. Ich kann
mir aber nicht denken, warum. Ein Tätowierungszeichen!«
»Und das andere Mädchen?«
fragte ich. »Die andere, mit der sich Leila im Schönheitssalon angefreundet
hatte — hieß Angela Markon ?«
»Nein«, erwiderte er mit
Bestimmtheit. »Sie hieß Olga Kellner, und sie werde ich so leicht nicht
vergessen!«
»Haben Sie jemals von einem
Mädchen mit Namen Angela Markon gehört?«
»Nein.«
Alles kann man ja auch nicht
verlangen. »Wie heißt denn der Schönheitssalon, wo Olga Kellner arbeitet und
Leila früher gearbeitet hat?«
»Vale-Heights-Schönheitssalon.«
»Originell. Wissen Sie zufällig
die Adresse dieser Olga Kellner?«
»Nein, leider, ich kenne sie
nicht.«
»Sie hatten also den Eindruck,
daß Leila aus Vale Heights davonlief, weil irgend etwas sie ängstigte?«
Er nickte. »Ich glaube schon.
Ja, ich bin dessen sogar ziemlich sicher. Ich glaube nicht, daß es etwas mit
mir zu tun hatte, Lieutenant. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die anderen
ihren Willen aufzuzwingen suchen. Ich habe Leila nicht aus Vale Heights
hinausgetrieben, mich hat sie nicht gefürchtet.«
»Aber Sie glauben, daß jemand
anders es getan hat?«
»Warum wäre sie denn sonst
plötzlich verschwunden?«
»Aber Sie haben keine Ahnung,
wer oder was es sein könnte?«
»Nicht die geringste«,
antwortete er verzagt. »In den letzten Monaten hatte ich immer das Gefühl, aus
ihrem Leben ausgeschlossen zu sein. Jetzt wünschte ich, daß ich es mir in den
Kopf gesetzt hätte, der Sache nachzugehen. Dann hätte ich ihr das alles
ersparen können und...«
Erschöpft schüttelte er den
Kopf. »Es ist wohl ziemlich sinnlos, sich hinterher Gedanken zu machen. Sie ist
tot, und das läßt sich durch nichts mehr ändern.«
»Nein, leider nicht. Mr. Bond«,
sagte ich. »Und es fällt Ihnen im Augenblick nichts mehr ein, was uns als
Hinweis dienen könnte? Wie geringfügig es auch erscheinen mag — es könnte uns
vielleicht helfen.«
»Es tut mir leid..., nichts.«
»Würden Sie mir bitte Ihre
hiesige Adresse dalassen?«
»Ich wohne im Hotel Wagner. Kennen Sie es?«
»Ich kenne es.«
»Kein sehr gutes Hotel, fürchte
ich.« Er lächelte kläglich. »Aber ein besseres kann ich mir nicht leisten.«
Er holte seine Brieftasche
hervor
Weitere Kostenlose Bücher