Der Unheimliche
und reichte sie mir. »Sie werden es wohl nachprüfen wollen. Da ist eine
Quittung und ein Ausweis und noch das eine oder andere.«
»Danke.«
Ich sah den Inhalt durch. Ein
Führerschein, ein paar Briefe, die Quittung, von der er gesprochen hatte, und
etwa dreißig Dollar in bar. Ich gab ihm die Brieftasche zurück.
»Es muß für Sie ein sehr schwerer
Schlag sein, Mr. Bond«, sagte ich zu ihm. »Ich fahre Sie nun zu Ihrem Hotel
zurück. Ich möchte Sie nur bitten, morgen zur Mordkommission zu gehen und dort
alles, was Sie mir eben erzählt haben, zu Protokoll zu geben. Bei Lieutenant
Hammond. Er wird es stenographisch aufnehmen lassen, und Sie können dann später
das Protokoll unterschreiben.«
»Selbstverständlich«, sagte er.
Ich gab ihm noch einen Schluck
zu trinken und fuhr ihn dann zum Hotel Wagner. Unterwegs fragte ich ihn,
wo denn in Vale Heights etwas los sei.
»Am Strand liegt ein neues
Hotel«, antwortete er. »Es heißt Der Strandräuber. Es ist sehr luxuriös
und teuer, glaube ich. Daneben gibt es noch ein halbes Dutzend Bars, die ganz
gut sind. Und einige Nachtklubs. Die Stadt ist in den letzten paar Jahren
schnell gewachsen. Und man bemüht sich dort sehr um den Fremdenverkehr.«
»Aha«, erwiderte ich.
»Ich bin aber nicht sicher, ob
das eine gesunde Entwicklung ist«, fuhr er bedächtig fort. »Die Stadt verliert
ihren bisherigen Charakter, und es schleichen sich doch recht üble Elemente
ein. Das Geld der Touristen lockt sie wohl an. Jetzt ist sogar schon die Rede
davon, am Strand ein Spielkasino zu errichten.«
»Es ist immer die gleiche
Entwicklung«, meinte ich.
Ich fuhr vor dem Hotel
Wagner vor.
»Ich danke Ihnen«, sagte er
ernst. »Es war sehr nett von Ihnen, mich herzufahren.«
»Das hat nichts zu bedeuten«,
erwiderte ich. »Und vergessen Sie nicht, Lieutenant Hammond morgen
aufzusuchen... Übrigens, ich wollte Sie fragen, ob Sie etwas für mich tun
könnten?«
»Natürlich. Was denn?«
»Nun ja«, begann ich
vorsichtig, »offiziell ist die ganze Sache ja Lieutenant Hammonds
Angelegenheit. Ich gehöre zum Büro des Sheriffs, und obwohl das eine reine
Angelegenheit der Stadt ist, hat sich auch der Bezirk der Sache angenommen, und
der Sheriff läßt mich mehr oder weniger inoffiziell den Fall verfolgen. Ich
möchte daher Lieutenant Hammonds Gefühle etwas schonen.«
»Ich glaube, ich habe Sie
verstanden«, sagte er.
»Wie wäre es, wenn Sie unsere
heutige Unterhaltung nicht erwähnten? Erzählen Sie ihm nur, Sie hätten die
ganze Sache erst in der Morgenzeitung gelesen und wären daraufhin gleich zu ihm
ins Büro geeilt. Er wird Ihre Angabe nicht in Zweifel ziehen, und wir vermeiden
es, ihn zu verletzen.«
»Gewiß, Lieutenant«, erklärte
Bond bereitwillig. »Das tue ich. Das macht ja gar nichts.«
»Vielen Dank.«
Ich fuhr wieder nach Hause,
wählte die Nummer des Hotels Strandräuber in Vale Heights und bestellte
ein Zimmer für die Nacht. Ich raffte eilig ein paar Sachen zusammen und ging
zum Wagen hinunter. Es war halb acht, als ich nach Vale Heights abfuhr. Ich
rechnete mir aus, daß ich Hammond um etwa fünfzehn Stunden voraus sei. Das
sollte mir Zeit genug lassen, es ihm zu zeigen — aber richtig!
VIERTES KAPITEL
D ie vierzig Meilen nach Vale Heights
schaffte ich in vierzig Minuten, ohne die gesetzlich erlaubte
Höchstgeschwindigkeit zu überschreiten.
Ich fuhr an der Front des Strandräubers vorbei, und das Hotel sah genauso aus, wie ich es mir nach Bonds Beschreibung
vorgestellt hatte. Drei Häuserblocks weiter fand ich den
Vale-Heights-Schönheitssalon. Ich parkte den Wagen am Rinnstein und stieg aus.
Der Schönheitssalon war schon
geschlossen, aber darüber lag eine Wohnung, deren Eingang neben dem des Salons
lag. Ich stieg hinauf und drückte auf die Klingel neben der Tür. Eine Frau von
etwa fünfzig Jahren mit geradezu unmöglich anmutendem rosigem Haar öffnete mir
die Tür. Sie trug ein Seidenkleid, das ihre hervorquellenden Formen eng
umspannte. Sie sah aus wie der erste Preis auf einem Witwenball.
»Bitte?« fragte sie kühl.
»Ich hätte gern Olga Kellner
gesprochen«, antwortete ich. »Es ist dringend, und ich wollte Sie fragen, ob
Sie mir helfen können? Könnten Sie mir vielleicht ihre Adresse geben?«
»Nein!« erwiderte sie kurz
angebunden. »Und im übrigen könnte das niemand in
ganz Vale Heights.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte
ich. »Sie arbeitet doch im Schönheitssalon — oder nicht?«
»Hat gearbeitet, meinen
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