Der Unheimliche
ich alles!«
Ich zog Jo mit mir in die Halle
und jagte mit ihr zum Eingang hinaus. Nach weiteren zwanzig Sekunden saß sie
neben mir im Healy, und ich schoß auf das Ausgangstor zu.
Während der Kies unter den
Hinterrädern wegspritzte, bog ich in die Straße ein. Als wir am Ende der
Ausfahrt angelangt waren, war der Healy bereits ziemlich schnell.
Jo gelang es, sich von der
Windschutzscheibe wieder abzustemmen und zurück nach
hinten sinken zu lassen, nachdem ich bei der scharfen Kurve heftig gebremst
hatte.
»Sie sind wohl verrückt?« rief
sie. »Ich habe noch ein Glas stehenlassen und kaum davon getrunken! Und mein
Wagen steht auch noch dort! Werden Sie endlich langsamer fahren!«
»Erst wenn wir an Ihrem Haus
sind«, antwortete ich. »Wie weit ist es denn?«
»Bei dieser Geschwindigkeit
etwa zwei Sekunden!«
Ich fuhr ein wenig langsamer
und warf einen Blick in den Rückspiegel. Hinter uns war nichts zu sehen.
»Um die nächste Kurve herum«,
sagte Jo. »Eine Nebenstraße führt rechts weg — und, um Himmels willen, nehmen
Sie die Kurve langsam! Es geht steil hinunter zum Strand. Wir kippen glatt ins
Wasser!«
»Ich passe schon auf!«
Ich nahm die Kurve, und der
Kühler des Healy sackte so schnell weg, daß ich glaubte, er wäre überhaupt verschwunden.
Ich ging in einen niedrigen Gang, und wir wanden uns
die Schotterstraße hinab zum Strand.
»Da ist es«, sagte sie und
deutete mit der Hand. »Das Haus dort drüben.«
Ich fuhr den Healy auf den
überdachten Parkplatz, zog den Zündschlüssel heraus und stellte die Lichter ab.
»Sie sind wirklich verrückt!«
rief sie, als sie ausstieg. »Jetzt muß ich was trinken!«
»Ich auch«, stimmte ich ihr
bei. »Ich hätte niemals geglaubt, daß ich noch heil aus diesem Haus
herauskäme.«
»Wollen Sie damit sagen, die
anderen wollten Sie umbringen?« Sie bohrte ihre Nägel in meinen Arm. »Wie
wunderbar!« — »Danke!«
»Ich meine, wie aufregend!
Warum denn?«
»Das ist eine lange Geschichte,
und ich bin nicht einmal sicher, ob ich alle Einzelheiten kenne«, antwortete
ich. »Wie wäre es mit etwas zu trinken?«
Wir traten ins Haus, das nur im
Vergleich zu Kaufmans Haus klein war. Jo Dexter schaltete die Lichter ein, und
wir gingen in das Wohnzimmer. Sie schritt mir voraus zur Bar in der Ecke.
»Sie gießen uns beiden nun
etwas ein und fangen an zu trinken, während ich mir ein neues Gesicht aufsetze
und etwas Atem hole«, erklärte sie.
Sie verließ das Zimmer, und ich
goß mir etwas ein — ein ziemlich großes Glas. Dazu zündete ich mir eine
Zigarette an und dachte, daß Wheeler doch tatsächlich ein gerissener Kerl sei.
Ich hatte gehofft, Kaufman dermaßen zu verblüffen, daß er etwas über Schlange Lannigan von sich geben würde; und dabei hatte ich nichts
anderes erreicht, als ihn zu warnen, daß etwas im Anzug sei.
Und ich hatte einen
panikartigen Abgang, weil ich mir keins von den Mädchen Schlange Lannigans unter den übrigen Gästen hatte heraussuchen
können. Wäre ich nicht in diese blöde Panik verfallen, hätte es mir klar sein
müssen, daß ein Abgesandter von Schlange Lannigan nicht unbedingt zu wissen brauchte, wer die Mädchen seien. Daß ich so aus dem
Haus hinausgestürzt war, mußte für Porky ein
Alarmzeichen gewesen sein.
Ich leerte mein Glas und
schenkte weiteren Scotch nach. Dann trat Jo Dexter wieder ins Zimmer. Sie trug
ein graublaues Négligé , einen Hauch von einem Gewand,
das so aussah, als ob es unter der Berührung einer Hand zerfallen würde.
Glücklicherweise machte Jo selber nicht den gleichen Eindruck auf mich. Sie war
in ihr Zimmer gegangen, um wieder zu Atem zu kommen. Als sie jedoch nun zurückkehrte,
verschlug es mir beinah den meinen!
Ich sah sie bewundernd an. »Ich
habe mich immer gefragt, was man so in Frauenzeitschriften eigentlich damit
meint, wenn die Heldin sagt, sie wolle in etwas Kühles schlüpfen. Jetzt weiß
ich es.«
»Was sollte es denn Ihrer
Ansicht nach bedeuten — ein Schwimmbad?« fragte sie. »Ist das mein Glas?«
»Das ist Ihr Glas«, antwortete
ich. »Unverdünnter Whisky.«
Sie ließ sich auf einer sehr
bequem aussehenden Couch nieder. »Bringen Sie uns die Gläser her, Mr. Wheeler.«
»Nennen Sie mich doch Al«,
sagte ich. »Immerhin kennen wir uns doch schon seit einer Stunde.«
Ich nahm die Gläser mit und
setzte mich neben sie auf die Couch. Sie trank mit einem langen Zug und
erschauerte leicht.
»So ist es schon besser«,
erklärte sie, »viel besser.«
»Wovon
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