Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unmoegliche Mensch

Der unmoegliche Mensch

Titel: Der unmoegliche Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
Vom Netzwerk:
Mechippe behauptete, er sei zuverlässig.« Louise sah hilflos auf ihren Mann im Liegestuhl hinab. »Dick, ich wünschte, du wärst mit ihm gegangen. Es sind nur achtzig Kilometer. Ihr wäret jetzt schon dort gewesen.«
     Lowry nickte unbehaglich. »Nun, ich dachte nicht… ich glaube bestimmt, es wird alles gutgehen. Was macht das Bein, Sir?«
     »Oh, es ist bestens.« Gifford hatte über das Delta hinausgestarrt. Er bemerkte, daß Lowry mit besorgtem Gesicht auf ihn herabsah. »Was ist los, Richard? Stört Sie der Geruch?« Plötzlich verärgert, stieß er hervor: »Tun Sie mir den Gefallen und machen Sie einen Spaziergang, guter Mann!«
     »Was…?« Lowry starrte ihn unsicher an. »Aber gewiß Doktor.«
     Gifford sah Lowrys gepflegte Gestalt steif zwischen den Zelten davongehen. »Er ist schrecklich korrekt, nicht? Aber er hat es noch nicht gelernt, Beleidigungen hinzunehmen. Ich werde dafür sorgen, daß er Übung bekommt.« Louise schüttelte langsam den Kopf. »Mußt du das, Charles? Ohne ihn wären wir schlimm dran, weißt du das? Ich glaube, du benimmst dich nicht sehr fair.«
     »Fair?« Gifford wiederholte das Wort und verzog das Gesicht. »Was redest du da? Herrgott, Louise!«
     »Na, schön«, erwiderte seine Frau geduldig. »Ich glaube, du solltest Richard nicht die Schuld dafür zuschieben, was geschehen ist.«
     »Das tue ich nicht. Ist es das, was dein lieber Dick meint? Jetzt, da es anfängt zu stinken, versucht er seine Schuld auf mich abzuwälzen.«
     »Das tut er nicht…«
     Gifford schlug gereizt auf die Armlehne. »Verdammt, das tut er doch!« Er sah seine Frau finster an; sein schmallippiger, vom Bart umgebener Mund verzerrte sich. »Sei beruhigt, meine Liebe, du wirst es ebenfalls, wenn diese Sache zu Ende ist.«
     »Charles, bitte…«
     »Aber, wen stört das schon?« Gifford lehnte sich für einen Augenblick erschöpft zurück, und dann, als die Kräfte zurückkehrten und ihn eine merkwürdige Leichtigkeit und Ruhe überkam, begann er wieder: »Dr. Richard Lowry. Wie er seinen Doktortitel liebt. Ich hätte in seinem Alter nicht den Nerv gehabt. Einen drittklassigen Dr. phil. für eine Arbeit, die ich ihm schrieb, und er nennt sich Doktor.«
     »Das tust du auch.«
     »Red keinen Unsinn! Ich erinnere mich an die Zeit, da mir wenigstens zwei Lehrstühle angeboten wurden.«
     »Aber du konntest dich nicht herablassen, sie anzunehmen«, bemerkte seine Frau mit einer Spur von Ironie in ihrer Stimme.
     »Nein, das konnte ich nicht«, bestätigte Gifford heftig. »Weißt du, wie es in Cambridge aussieht, Louise? Es wimmelt dort von Richard Lowrys! Außerdem hatte ich eine viel bessere Idee. Ich heiratete eine reiche Frau. Sie war lieb, schön und respektierte meine launenhafte geistige Brillanz, aber in erster Linie war sie reich.«
    »Wie angenehm für dich.«
     »Leute, die Geld heiraten, verdienen es. Ich habe meins wahrlich verdient.«
     »Danke sehr, Charles.«
     Gifford lachte leise. »Eines muß ich sagen, Louise, du weißt eine Beleidigung zu tragen. Dank meiner Erziehung. Es überrascht mich, daß du bei Lowry nicht wählerischer bist.«
     »Wählerisch?« Louise lachte gequält. »Ich bin mir nicht bewußt, ihn gewählt zu haben. Ich halte Richard für sehr gefällig und hilfsbereit – was dir ja übrigens ebenfalls bekannt war, als du ihn als Assistenten annahmst.«
     Gifford begann sich seine Antwort zurechtzulegen, als er plötzlich von einem Frösteln befallen wurde. Er zerrte schwach an seiner Decke und fühlte sich von einer ungeheuren Müdigkeit und Schwere übermannt. Er sah mit glasigen Augen zu seiner Frau auf; ihr Streitgespräch war vergessen. Die Sonne war verschwunden, tiefes Dunkel lag über dem Delta, nur für einen kurzen Augenblick erhellt von den sich windenden Konturen von Tausenden von Schlangen. Er versuchte sich vorzubeugen, um sie besser zu sehen, und kämpfte gegen den Inkubus auf seiner Brust an. Dann glitt er zurück in Übelkeit und Schwindel. »Louise…!«
     Schnell waren die Hände seiner Frau auf den seinen, und ihre Schulter stützte seinen Kopf. Er wurde von trockenem Brechreiz erfaßt und rang mit seiner Muskulatur, die sich zusammenzog, wie eine Schlange, die ihre Haut abzustreifen versucht. Fern hörte er seine Frau nach jemand rufen, der Schutzbügel fiel herunter und riß die Bettdecke mit.
     »Louise«, flüsterte er, »an einem dieser Abende… möchte ich zu den Schlangen hinuntergebracht werden.«
     Ab und zu, wenn die

Weitere Kostenlose Bücher