Der unmoegliche Mensch
optischen Täuschung erschienen die nächsten Schlangen jetzt fast einen Kilometer entfernt, kaum zu sehen zwischen den leichten Erhebungen. »Laß uns weitergehen!«
Sie arbeiteten sich zehn Meter weiter vorwärts. Der offene Eingang von Lowrys Zelt lag nun links von ihnen, und die weiße Glocke des Moskitonetzes war drinnen im Schatten zu sehen. Gifford war fast erschöpft, er taumelte unsicher und versuchte, in der tintenblauen Luft zu sehen.
Plötzlich gab es einen Blitz und einen Knall, als der Revolver losging und ihm dann aus der Hand fiel. Er spürte, wie Mechippes Finger seinen Arm fester umspannten, hörte, wie jemand aus Lowrys Zelt kam, und hörte den erschrockenen Angstschrei einer Frau. Eine zweite Gestalt, diesmal die eines Mannes, sah sich hastig nach Gifford um und huschte zwischen den Zelten davon wie ein aufgescheuchtes Tier, in Richtung auf die Terrassenstadt.
Verärgert über diese Störungen tastete Gifford nach seinem Revolver, wobei er mit den Krücken kämpfte. Aber die Dunkelheit um ihn herum verdichtete sich, der Sand kam ihm entgegen und schlug ihm ins Gesicht.
Am nächsten Morgen, als die Zelte abgebaut und verpackt wurden, war Gifford zu müde, um auf das Delta hinauszuschauen. Die Schlangen kamen nie vor dem frühen Nachmittag, und die Enttäuschung darüber, daß es ihm in der vergangenen Nacht nicht gelungen war, sie zu erreichen, hatte ihm jede Energie genommen.
Als nur noch sein eigenes Zelt übrig war und die nackten Duschgerüste aus dem Boden ragten wie abstrakte Skulpturen, die ein futuristisches Grabmal markieren, kam Louise zu ihm herüber.
»Es ist Zeit, daß die Leute dein Zelt verpacken.« Sie sprach sachlich, aber behutsam. »Die Boys bauen eine Trage für dich. Es wird nicht zu unbequem für dich sein.«
Gifford bedeutete ihr zu gehen. »Ich kann nicht weg. Laß Mechippe bei mir und nimm die andern mit!«
»Charles, sei doch einmal vernünftig!« Louise stand vor ihm, mit gefaßtem Gesicht. »Wir können nicht ewig hierbleiben, und du brauchst ärztliche Behandlung. Wir müssen inzwischen annehmen, daß Mechippes Boy nicht bis nach Taxcol gekommen ist. Unsere Vorräte reichen nicht ewig.«
»Sie brauchen nicht bis in die Ewigkeit zu reichen.« Gifford suchte mit fast geschlossenen Augen den fernen Horizont ab wie mit einem schadhaften Feldstecher. »Laß mir genug für einen Monat hier!«
»Charles…«
»Himmel noch mal, Louise…« Müde ließ er den Kopf auf das Kissen fallen. Er sah, wie Richard Lowry das Verstauen der Vorräte überwachte. Die Indianerburschen rannten um ihn herum wie willige Kinder. »Was soll die Eile? Könnt ihr nicht noch eine Woche bleiben?«
»Wir können nicht, Charles?« Sie sah ihrem Mann gerade ins Gesicht. »Richard meint, er muß gehen. Verstehst du? Um deinetwillen.«
»Meinetwillen?« Gifford schüttelte den Kopf. »Mich interessiert Lowry nicht die Spur. Heute nacht wollte ich hinaus, um mir die Schlangen anzusehen.«
»Ja, aber…« Louise strich ihr Buschhemd glatt. »Diese Reise war ein solches Fiasko, Charles; es gibt so viele Dinge, die mir Angst machen. – Ich will ihnen sagen, sie sollen dein Zelt abbauen, sobald du fertig bist.«
»Louise!« Mit einer letzten Anstrengung richtete sich Gifford auf. In ruhigem Ton, um seine Frau nicht dadurch in Verlegenheit zu bringen, daß Richard Lowry ihn hörte, sagte er: »Ich ging hinaus, um mir die Schlangen anzusehen. Verstehst du das?«
»Aber Charles!« In einem plötzlichen Ausbruch von Zorn fuhr sie ihn an: »Merkst du denn nicht, daß da gar keine Schlangen sind? Frag Mechippe, frag Richard Lowry oder einen der Boys! Der ganze Fluß ist knochentrocken!«
Gifford drehte sich um und sah auf den weißen Strand des Deltas hinaus. »Geh du mit Lowry! Es tut mir leid, Louise, aber ich würde die Reise nicht durchstehen.«
»Du mußt!« Sie zeigte auf die Berge in der Ferne, auf die Terrassenstadt und das Delta. »Dieser Ort hat etwas an sich, Charles, irgend etwas hat dir die Vorstellung gegeben, daß…«
Mit einer Gruppe von Boys im Gefolge kam Richard Lowry langsam auf sie zu und machte Louise Zeichen mit der Hand. Sie zögerte zunächst, dann winkte sie ihn zurück und setzte sich neben Gifford. »Hör zu, Charles! Ich bleibe noch eine Woche hier bei dir, wie du mich gebeten hast, damit du mit diesen Halluzinationen fertig werden kannst, wenn du mir versprichst, dann mitzukommen. Richard kann schon allein vorausreisen, er wird
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