Der unmoegliche Mensch
Können Sie mir helfen?«
Crispin trat unsicher näher. »Wie meinen Sie? Gewiß.«
Die Frau zeigte auf einen Abschnitt der Rosenpergola, der noch stand. Eine rostige Säge steckte in einem kleinen Schlitz, den die Frau in eine der senkrechten Stützen gesägt hatte. »Können Sie das absägen?«
Crispin folgte ihr zur Pergola hinüber und nahm das Gewehr von der Schulter. Er zeigte auf die Reste eines umgebrochenen Lattenzaunes an der einen Seite des Küchengartens. »Brauchen Sie Holz? Das dort wird besser brennen.«
»Nein – ich brauche diesen Rahmen. Er muß fest sein.« Sie zögerte, als Crispin noch immer mit seinem Gewehr herumhantierte. Dann sagte sie etwas zaghafter. »Können Sie es? Der kleine Zwerg konnte heute nicht kommen. Er hilft mir gewöhnlich.«
Crispin hob beschwichtigend die Hand. »Ich helfe Ihnen.« Er lehnte sein Gewehr an die Pergola und ergriff die Säge.
»Ich danke Ihnen.« Die Frau stand neben ihm und sah ihn freundlich lächelnd an, während er arbeitete und die Patronengurte durch die Bewegung seines Armes und Oberkörpers rhythmisch zu schaukeln begannen.
Crispin hielt inne und legte widerwillig die Gurte mit Maschinengewehrmunition ab, das äußere Zeichen seiner Autorität. Er blickte zu dem Vorpostenschiff hinüber, und die Frau nahm den Wink auf und sagte: »Sie sind der Kapitän, nicht? Ich habe Sie auf der Brücke gesehen.«
»Nun…« Crispin hatte noch nie gehört, daß ihn jemand als den Kapitän des Schiffes bezeichnete, aber der Titel schien einen gewissen Status zu beinhalten. Er nickte bescheiden. »Crispin«, sagte er, sich vorstellend. »Captain Crispin. Erfreut, Ihnen helfen zu können.«
»Ich bin Catherine York.« Ihre weißen Haare mit einer Hand im Nacken festhaltend, lächelte die Frau ihn wieder an. Sie zeigte auf den rostigen Rumpf. »Es ist ein schönes Schiff.«
Crispin sägte weiter und fragte sich, ob sie nicht etwas übertrieb. Als er den Rahmen zu dem Scheiterhaufen hinübergetragen und am Fuß des Federberges abgelegt hatte, hängte er sich mit berechnendem Effekt die Patronengurte wieder um. Die Frau schien es nicht zu bemerken, aber einen Augenblick später, als sie in den Himmel sah, hob er sein Gewehr und ging zu ihr hinüber.
»Haben Sie einen gesehen? Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde ihn schon kriegen.« Er versuchte ihren Blicken zu folgen, die irgendeinem unsichtbaren Objekt am Himmel folgten, das hinter der Kliffkante zu verschwinden schien, aber sie wandte sich ab und begann mechanisch die Federn zurechtzulegen. Crispin zeigte auf die Felder ringsherum und fühlte seinen Puls schneller schlagen bei dem Gedanken an weitere Kämpfe und die Angst davor. »Die habe ich alle erschossen…«
»Was? Es tut mir leid, was sagten Sie?« Die Frau sah sich um. Sie schien das Interesse an Crispin verloren zu haben und darauf zu warten, daß er ginge.
»Brauchen Sie mehr Holz?« fragte Crispin. »Ich kann Ihnen mehr besorgen.«
»Ich habe genug.« Sie faßte die Federn auf dem Tisch an. Dann dankte sie Crispin, ging ins Haus und schloß die an rostigen Scharnieren hängende Haustür hinter sich.
Crispin nahm seinen Weg über den Rasen und durch die Wiese. Die Vögel lagen um ihn herum wie zuvor, aber die Erinnerung an das freundliche Lächeln der Frau, mochte sie noch so flüchtig sein, ließ ihn über sie hinwegsehen. Er legte mit der Barkasse ab und stieß die treibenden Vogelleichen mit dem Bootshaken beiseite. Das Vorpostenschiff lag auf seinem Ankerplatz, umgeben von dem Floß aus nassen grauen Leibern.
Als er das Fallreep hinaufstieg, sah er Quimbys kleine Gestalt auf der Brücke, wo er mit wilden Blicken den Himmel absuchte. Crispin hatte dem Zwerg ausdrücklich verboten, in die Nähe des Steuerrades zu gehen, obwohl es sehr unwahrscheinlich war, daß das Vorpostenschiff jemals irgendwohin fahren würde. Gereizt schrie er Quimby an, das Schiff zu verlassen.
Der Zwerg hüpfte die abgeschlissenen Strickleitern herunter auf das Deck. Er kam zu Crispin gerannt.
»Crisp!« schrie er mit seiner heiseren Flüsterstimme. »Man hat einen gesehen! Er kam von der Küste. Hassel sagte mir, ich sollte dich warnen.«
Crispin blieb stehen. Mit klopfendem Herzen suchte er aus den Augenwinkeln den Himmel ab, während er dabei den Zwerg nicht aus den Augen ließ. »Wann?«
»Gestern.« Der Zwerg schüttelte eine Schulter, als ob er sein verklemmtes Gedächtnis lockern wollte. »Oder war es heute morgen?
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