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Der unmoegliche Mensch

Der unmoegliche Mensch

Titel: Der unmoegliche Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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seine Schwester kritisch. In den fünfzehn Jahren, die er sie kannte, war sie merklich gröber geworden, ihre Stimme war rauher und ihre Gesten waren gewöhnlicher geworden. Ein deutlicher sozialer Abstand hatte schon immer zwischen ihnen gelegen, eine Kluft, die Falkman mit Nachsicht hingenommen hatte, aber die Kluft verbreiterte sich jetzt deutlich. Das Geschäft ihres Mannes hatte in letzter Zeit nachgelassen, und ihre Gedanken drehten sich jetzt fast nur noch um Geld und gesellschaftliches Ansehen.
     Als Falkman sich selbst zu einem guten Gespür für den Erfolg beglückwünschte, befiel ihn eine merkwürdige Vorahnung.

    Wie Falkman selbst vor fünfzehn Jahren, lag seine Frau zuerst in ihrem Sarg in der Halle, die durch die schweren Kränze in eine dunkle, olivgrüne Laube verwandelt wurde. Hinter den herabgelassenen Jalousien war die Luft düster und stickig, und mit ihrem leuchtendroten Haar, das über ihre Stirn floß, ihren hellen Wangen und vollen Lippen erschien Falkman seine Frau wie eine schlafende Zauberin in einem Märchenwald. Er hielt sich an der Silberstange am Fußende des Sarges fest und starrte sie geistesabwesend an, während seine Schwester die Gäste zu ihrem Port und Whisky dirigierte. Mit den Augen zeichnete er die exquisiten Grübchen und die Höhlungen um Hals und Kinn seiner Frau nach. Die glatte, weiße Haut zog sich in einem eleganten Schwung zu den kräftigen Schultern hin. Am nächsten Tag, als sie nach oben getragen wurde, füllte sie mit ihrer Gegenwart das Schlafzimmer aus. Den ganzen Nachmittag saß er neben ihr und wartete geduldig darauf, daß sie aufwachte.
     Kurz nach fünf Uhr, in den wenigen Minuten, bevor die Dämmerung hereinbrach, als die Luft im Garten reglos unter den Bäumen hing, huschte ein schwaches Lebensecho über ihr Gesicht. Ihre Augen wurden klar und richteten sich gegen die Decke.
     Atemlos beugte Falkman sich vor und ergriff ihre kalten Hände. Tief drin ging leise ihr Puls.
     »Marion«, flüsterte er.
     Ihr Kopf neigte sich leicht, und ihre Lippen teilten sich in einem schwachen Lächeln. Für eine kleine Weile sah sie ihren Gatten ruhig an.
     »Hallo, Jamie.«
     Die Ankunft seiner Frau verjüngte Falkman vollkommen. Als ein liebender Ehemann ging er bald völlig in ihrem gemeinsamen Leben auf. Als sie sich von ihrer langen Krankheit nach ihrer Ankunft erholte, kam Falkman in die besten Jahre seines Lebens. Seine grauen Haare wurden glatt und schwarz, sein Gesicht wurde voller, das Kinn fester und kräftiger. Er ging an die Börse zurück und nahm seine Arbeit mit erneutem Interesse auf. Er und Marion bildeten ein stattliches Paar. Von Zeit zu Zeit besuchten sie den Friedhof und nahmen an dem Gottesdienst zur Feier der Ankunft eines ihrer Freunde teil, aber diese Besuche wurden mit der Zeit weniger häufig. Andere Gruppen besuchten unaufhörlich den Friedhof und lichteten die Reihen der Gräber. Große Flächen waren schon wieder zu offenem Rasen geworden, nachdem die Särge herausgenommen und die Grabsteine weggeräumt worden waren. Die Bestattungsfirma neben dem Friedhof, die für die Benachrichtigung der trauernden Angehörigen verantwortlich war, wurde geschlossen und verkauft. Als schließlich Biddle, der Totengräber, aus einem der letzten Gräber seine eigene Frau ausgrub, wurde der Friedhof in einen Kinderspielplatz verwandelt.

    Die Jahre ihres Ehelebens waren Falkmans glücklichste. Mit jedem Sommer wurde Marion schlanker und jugendlicher. Ihr rotes Haar war wie ein strahlendes Diadem, das aus dem Menschengedränge auf der Straße herausleuchtete, wenn sie ihn abholen kam. Sie gingen dann Arm in Arm nach Hause, und an den Sommerabenden blieben sie zwischen den Weiden am Fluß stehen, um sich zu umarmen wie ein Liebespaar.
     In der Tat sprach sich ihr Glück so unter ihren Freunden und Bekannten herum, daß über zweihundert Gäste an der kirchlichen Zeremonie zur Feier ihrer langen Ehezeit teilnahmen. Als Falkman mit ihr vor dem Priester am Altar kniete, erschien ihm Marion wie eine zarte Rose.
     Dies war die letzte Nacht, die sie zusammen verbringen sollten. Im Laufe der Jahre hatte Falkmans Interesse an der Arbeit in der Börse nachgelassen, und die Ankunft von älteren und seriöseren Männern hatte für ihn zu einer Reihe von Zurückstufungen geführt. Viele seiner Freunde standen vor ähnlichen Problemen. Harold Caldwell war gezwungen worden, seinen Professorentitel zurückzugeben, war jetzt ein junger Dozent und nahm noch an Kursen

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