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Der Unsichtbare Feind

Titel: Der Unsichtbare Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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ich fahre besser nach Hause. Ich bin todmüde und kann mit Sicherheit morgen früh klarer denken.« Stattdessen brauchte er ein paar Sekunden, um sich zu überlegen, was er antworten sollte, sodass ihr noch die Möglichkeit für einen Rückzieher blieb, falls sie genauso verwirrte Gefühle haben sollte wie er selbst. »Meinen Sie wirklich? Es ist schon nach halb elf, und ich werde bestimmt noch anderthalb Stunden brauchen, bis ich wieder in New York bin.« Kaum waren die Worte heraus, als ihn der Mut verließ, und die Aussicht, zu ihrer Einladung im vollen Umfang ja zu sagen, schüchterte ihn so sehr ein, dass er drauf und dran war, doch noch den Rückzug anzutreten.
    Als ob sie seinen Zwiespalt fühlen könnte, fügte sie hinzu: »Ich würde mich freuen, wenn Sie kommen, Richard, wenn Sie wollen.«
    Wieder sagte keiner ein Wort. Aber im Gegensatz zu seinem Schweigen, auf dem stumme Zweifel und Unentschiedenheit lasteten, war ihres immer noch elektrisierend, aufregend und voll unausgesprochener Angebote. Bevor er seine Gedanken wieder genug gesammelt hatte, um etwas zu sagen, hörte er ein leises Klicken, als sie den Hörer auflegte.
    Mein Gott, wie konnte ich nur so unglaublich offenherzig sein, dachte sie, während sie mit dem Aufzug zum Erdgeschoss fuhr.
    Genau genommen hatte sie nicht mehr damit gerechnet, dass er noch kommen würde. Gegen halb eins war er immer noch nicht aufgetaucht, und es war ihr peinlich, dass sie die Einladung überhaupt ausgesprochen hatte. Als er sie dann vor zehn Minuten angerufen hatte, um ihr zu sagen, dass er gerade vor dem Gebäude angekommen sei, spürte sie, wie sie rot wurde. »Ich bin gleich unten«, brachte sie mit quiekender Stimme hervor und dachte, sie könnte so tun, als ob ihre Einladung nicht mehr umfasste, als sie gesagt hatte – einen Kaffee, eine Gelegenheit, Ideen über Agrenomics zu besprechen, und einen Kleiderwechsel. »Ja, klar«, murmelte sie, »zieh deine Kleider aus und geh unter meine Dusche – ich biete immer Männern, die in den Regen geraten sind, eine mitternächtliche Reinigung an. Hat gar nichts zu bedeuten. Wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, dass ich an einen Quickie unter der Dusche gedacht habe?«
    Im selben Augenblick, als sie ihn durch die Glastür sah, begann sie zu kichern. Er starrte von Kopf bis Fuß vor Schmutz und sah absolut erbärmlich aus. Mein Gott, er braucht wirklich eine ordentliche Dusche, dachte sie, als sie ihre Chipkarte durch den Schlitz des Sicherheitssystems zog und die Tür öffnete. Sie ergriff seine Hand und sagte lachend: »Nun sehen Sie sich bloß mal an.«
    Oben im Labor steckte sie ihn erst einmal mitsamt den Kleidern unter die dampfenden Wasserstrahlen. »Reichen Sie sie mir raus, wenn der gröbste Dreck ab ist«, rief sie durch das Rauschen der Dusche. »Ein paar Stockwerke tiefer gibt es einen kleinen Waschsalon, den die Studenten benutzen. Ich gehe runter und stopfe die Sachen in die Maschine, während Sie sich ordentlich abschrubben. Auf einer der Bänke liegen Handtücher, ein Laboroverall und ein großer weißer Kittel für Sie bereit. Wir treffen uns dann in meinem Büro.«
    »Ja, Ma'am«, sagte er und reichte ihr hinter dem Duschvorhang weg ein tropfendes Kleiderbündel.
    Sie ging in den Flur und zum Aufzug zurück, musste jedoch feststellen, dass die Kabine, mit der sie heraufgefahren waren, wieder im Erdgeschoss war. Muss wohl noch jemand anderes im Gebäude sein, dachte sie und ging stattdessen die Treppe hinunter, da der Waschsalon nur drei Etagen tiefer lag. Bei zehn Stockwerken mit Labors, die die Projekte von tausend Studenten der höheren Semester beherbergten, war es nicht ungewöhnlich, dass einer von ihnen noch spät in der Nacht arbeitete.
    Für ein paar Quarter kaufte sie eine Portion Waschpulver, für ein paar weitere bekam sie die Wasch- und Schleudergänge, die sie brauchte. Sie merkte sich, wann sie wiederkommen musste, um alles in den Wäschetrockner zu stecken, und ging wieder treppauf in ihr Büro. Steele hatte den Kaffee schon gefunden und zwei Becher auf ihren Schreibtisch gestellt, beide schwarz. Er machte einen entspannten Eindruck und rekelte sich barfuß auf ihrer Couch. Zu der Laborkleidung, die sie ihm hingelegt hatte, gehörten keine Socken.
    »Ich wusste nicht, wie Sie ihn trinken«, sagte er, stand auf und reichte ihr den Becher, der am dichtesten bei ihm stand.
    »Danke sehr. Schwarz ist in Ordnung«, sagte sie, nahm den Becher mit dem dampfenden Getränk in beide

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