Der Unsichtbare Feind
drang durch die Wände und wurde sekündlich lauter.
»Mein Flieger ist da«, sagte er und ging zur Luftschleuse hinüber. »Du musst mich also entschuldigen. In eineinhalb Stunden gebe ich eine Feuerwerk-Party, als Alibi. Wer könnte mir das besser verschaffen als die Leute, die in New York den Ton angeben?« Dann lachte er, und die Lautsprecher verwandelten das Lachen in ein metallisches Geräusch, als ob es aus dem Mund eines Roboters käme. »Zu schade, dass ich keine Zeit mehr habe, dir mehr zu erklären, Kathleen. Es hätte dir sehr gefallen, etwas über die genetischen Methoden zu hören, die wir beim Ebola-Virus benutzt haben.« Er betrat die Luftschleuse und griff nach der Tür, um sie ins Schloss zu ziehen, hielt dann jedoch mitten in der Bewegung inne. »Ach, beinahe hätte ich etwas vergessen, was ich dir unbedingt noch sagen muss. Es hat mich immer amüsiert, wie du Lisa als Rückendeckung für deine riskanteren Expeditionen eingesetzt hast. Nur für den Fall, dass du meine Anordnung missachtet und ihr doch gesagt haben solltest, was du heute vorhattest, werden diese ›Gangster‹, wie du sie nennst, sie bald besuchen, um dafür zu sorgen, dass sie nicht die Polizei anruft, niemals.«
22
20.15 Uhr Queens, New York
Morgan beobachtete, wie der Müll unter den Rotoren des Hubschraubers herumwirbelte, während Butkis die Maschine sanft in die Höhe zog. Sie stiegen hundert Fuß über dem von Abfall übersäten Landeplatz hoch, wirbelten Staub auf und bliesen Zeitungspapier in die Luft. Über ihnen schwebte eine zweite Maschine, deren Sprühtanks bereits gefüllt waren. Unter ihnen erstreckte sich ein riesiges Industriegelände mit großflächigen Fabrikgebäuden, alle drei bis vier Stockwerke hoch und durch verrostete Eisenbahngleise miteinander verwoben, und weiteren, von Unkraut überwucherten Brachflächen. Da es Feiertag war, war niemand auf dem Gelände, aber Butkis blieb weit genug oben, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Während sie zur Seite trieben, kam ein dritter Hubschrauber herab und landete neben dem abgestellten Eisenbahncontainer, und der Pilot stieg aus, um die Schläuche anzuschließen. Morgan versuchte, keine Reaktion zu zeigen, als er sah, wie während des Vorgangs ein wenig der milchigen Flüssigkeit aus dem Ende des Anschlussstutzens quoll und auf den Boden lief.
Morgan hatte noch nie einen Mann gesehen, dem die Hinrichtung bevorstand, aber er stellte sich vor, dass es so sein musste, wie er sich jetzt fühlte. Die Ereignisse schienen ihn mit obszöner Geschwindigkeit voranzutreiben, und festgeschnallt in seinem Sitz bekam er Platzangst. Er hatte seinen Fluchtweg vorbereitet, hatte das Geld, das sie auf seinen Konten in den Steueroasen deponiert hatten, auf andere Konten in anderen Steueroasen überweisen lassen und seine Koffer gepackt, um noch heute Nacht abzureisen. Aber er hatte das sichere Gefühl, dass der Angriff, der innerhalb der nächsten Stunde stattfand, ebenso den Countdown für seine eigene Vernichtung in Gang setzen würde wie für all jene, die das Spray traf. Denn so wie Patton ihn in letzter Zeit angesehen und Kommentare über ›verlorene Nerven‹ gemacht hatte, konnte er nicht ausschließen, dass ihrem Kunden daran gelegen war, alle Zeugen aus dem Weg zu räumen. Und da dieser Kunde so darum besorgt war, anonym zu bleiben, hatte Morgan begonnen, auch für sich selbst Ausschau nach der Flucht in die Anonymität zu halten.
In manchen Augenblicken erdrückte ihn seine Todesangst. In anderen erschien es ihm beinahe irrelevant, ob ihn einer von ihnen erwischte oder nicht. Egal wie lange es dauerte, das Warten auf die Kugel würde ihn sowieso für den Rest seines Lebens zu einem Todeskandidaten machen.
Der dritte Hubschrauber hatte den Ladevorgang beendet und erhob sich vom Boden. Alle drei Maschinen stiegen auf eintausend Fuß hoch. Von hier oben sah Morgan durch die graue Abenddämmerung die Kette der aufgereihten Barkassen in der Flussmitte und eine Masse aus bunten Punkten, die den Franklin D. Roosevelt Drive am Ufer von Manhattan säumten. Weitere Hubschrauber befanden sich in der Luft, die meisten mit leuchtenden Reklamen verschiedener Sender – das Flugverbot würde erst in ein paar Minuten in Kraft treten.
Butkis drückte den Steuerknüppel nach vorne, die Maschine kippte vornüber, und langsam flogen sie zum Heliport hinunter, gefolgt von den anderen beiden Piloten, wie eine Reihe von glitzernden Libellen.
Steeles Schädel schmerzte. Und der Raum
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