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Der Unsichtbare Feind

Titel: Der Unsichtbare Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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nachts wach lag und mir Sorgen machte, dass du mir ein Motiv für die ganze Sache auf die Türschwelle legen würdest. Und jetzt siehst du hier alles ausgebreitet« – plötzlich schwenkte er seinen Arm in einem weiten Bogen, der das halbe Labor umfasste, und die überraschende Bewegung ließ sie zusammenzucken –, »und du hast immer noch nicht kapiert, was ich vorhabe oder warum ich es vorhabe?« Er schüttelte den Kopf, drehte sich zu einem großen Karton hinter ihm um, holte einen Stapel Papiere heraus und sortierte sie auf dem Tisch.
    Seine Gleichgültigkeit schüchterte sie nicht weniger ein als eine erhobene Faust. Sie reizte auch ihren Widerspruchsgeist. »Oh, ich kapiere ganz gut, was du getan hast. Das nennt man Betrug – an mir, der Blue Planet Society und, nach den Gangstern zu urteilen, die hier herumrennen, auch an deinem Vaterland. Denn die hast du in Ländern rekrutiert, die Amerikanern gegenüber nicht gerade freundlich sind. Alles, worum du dir Sorgen machst, wie du immer behauptet hast. Und ich will wissen, warum!«
    Er flog herum und war in drei Schritten bei ihr. Er beugte sich über sie, griff die Vorderseite ihres Schutzanzuges und zog ihren Kopf bis auf zwei Zentimeter vor sein Sichtfenster. »Ich habe das verraten, worum ich mir Sorgen mache?« Seine Stimme klang durch den Lautsprecher so gespannt wie eine Klaviersaite und kreischte so hoch, als ob er seine Worte mit den Fingernägeln auf eine Schultafel kritzelte. »Oh nein, Kathleen. Das ist meine beste Stunde, mein Meisterwerk. Wenn ich nicht so gehandelt hätte, wie ich es getan habe – das wäre Verrat an meinem Lebenswerk gewesen. Ich konnte auf keinen Fall mit unseren Warnungen weiter auf taube Ohren stoßen, während Firmen wie Biofeed immer weiter mutierte DNA in die Nahrungskette von Männern, Frauen und Kindern einschleusen –«
    »Spar dir die Worte, Steven, ich kenne die Geschichte! Vielleicht erinnerst du dich, dass ich sie selbst jahrelang hergebetet habe?«
    Er erstarrte, immer noch die Fäuste in ihren Anzug gekrallt.
    So dicht an ihm konnte sie nun auch seine Augen hinter der Scheibe und den Brillengläsern erkennen. Sie blickten sie vor Erstaunen geweitet an, als ob ihn der Anblick, sie so im Griff zu haben, plötzlich überraschte. Er legte sie langsam wieder auf den Boden, und sie sah, wie seine Pupillen ihren Glanz verloren und stumpf und schwarz wurden. Die Augenlider fassten sie ein wie lederne Knopflöcher. Er stand auf, ging steif zum Tisch zurück und stützte sich mit den Handflächen auf. »Und niemand achtet auf dich, Kathleen«, flüsterte er kaum hörbar, »nicht mal auf jemanden, der so wortgewandt ist wie du. Du wirst überall zitiert, aber was bringt es? Meinen Lieblingssatz hast du vor über zehn Jahren geschrieben: ›In seiner Wirkung auf das menschliche Leben ist die Fähigkeit, die DNA zu manipulieren, vergleichbar mit der Fähigkeit, Atome zu spalten.‹ Dr. Kathleen Sullivan: Das war auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro, 1992 – und noch heute hört keiner zu. Stattdessen gibt es mehr Idioten als je zuvor, die im Namen des freien Welthandels und des großen Geldes ihr uneingeschränktes Recht verteidigen, Nahrungsmittel genetisch zu verändern. Es ist also Zeit für eine Lektion, die sie nicht ignorieren können.«
    Er stand mit gesenktem Kopf vornübergebeugt und strahlte eine solche innere Erregung aus, dass sie trotz seines unförmigen Anzuges spürte, wie seine Muskeln zum Zerreißen gespannt waren – so wie ein Tier spürt, dass das andere gleich losspringt. Nur dass sie sich in diesem Fall einem Mann gegenübersah, dessen unbändige Wut ihn zugleich zusammenhielt und ihn zu zerfetzen drohte.
    Er scheint auch zu wollen, dass ich seine Genialität bewundere, dachte sie und erkannte kaltschnäuzig eine Gelegenheit, ihn zum Sprechen zu bringen. Wenn ich ihn dazu bringen kann, dass er weiter seine Taten verteidigt, entwischt ihm vielleicht das eine oder andere wertvolle Detail, zum Beispiel, wo er sich nach heute Nacht verstecken will, sodass ich ihm die Polizei schicken kann, um ihn dingfest zu machen. Oder besser noch, ich könnte etwas erfahren, das es möglich macht, die Wirkung seiner Attacken abzumildern. Sie blickte mit unbehaglichem Gefühl zu den Affenkäfigen hinüber. »An welche Art Lektion hast du denn gedacht?«, fragte sie und versuchte, so ergeben wie möglich zu klingen.
    Seine Haltung wurde etwas entspannter.
    Ein Kontrollfreak entspannt sich immer, dachte sie,

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