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Der Unsichtbare Feind

Titel: Der Unsichtbare Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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aber dort erscheinen, wollte ich hören, ob Sie irgendetwas mit seinem Brief anfangen können. Haben Sie zum Beispiel eine Idee, was er mit Taiwan und Oahu meint, die etwas gemeinsam haben?«
    Ihre Fantasie lief bereits auf Hochtouren und stellte Querverbindungen her, die sie sich kaum selbst laut einzugestehen wagte. »Ich weiß nicht«, sagte sie vorsichtig. »Lassen Sie mich eine Weile darüber nachdenken.«
    Sein Schweigen ließ vermuten, dass er von ihrer Antwort tief enttäuscht war.
    »Aber ich könnte Proben von den Pflanzen auf dem Grundstück dieser Firma untersuchen«, fügte sie hinzu, »und nach Beweisen für genetische Vektoren suchen, so wie er es vorschlägt. Ich würde Ihnen erklären, wie Sie die Proben entnehmen müssen, aber Sie müssten Sie mir unverzüglich per Kurier schicken. Ich würde es vorziehen, die Analysen in meinem eigenen Labor und mit meinem eigenen Team durchzuführen, anstatt zu Ihnen nach Frankreich zu kommen.«
    » Magnifique , Madame! Ich habe gebetet, dass Sie uns Ihre Dienste anbieten würden. Ich weiß, dass Sie eine weltweit anerkannte, führende Wissenschaftlerin auf diesem Gebiet sind – ich habe mir erlaubt, Sie im Internet zu suchen.« Er sprach so laut, dass sie den Hörer von ihrem Ohr weghalten musste. »Sie werden verstehen, dass uns sehr viel daran liegt, dieses Geheimnis zu lüften, von dem er spricht, und offensichtlich hat es etwas mit diesen genetischen Vektoren zu tun, mit denen Sie sich so intensiv beschäftigen. Ich werde Ihnen die Proben, um die Sie gebeten haben, bis morgen Nachmittag nach New York schicken.«
    Sein gallischer Enthusiasmus rief ihre eigene wissenschaftliche Vorsicht auf den Plan. »Ich muss Sie allerdings warnen. Ohne die spezifischen Vektoren zu kennen, die hier betroffen sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass ich negative Resultate erhalte. Mich wundert nur eines: Wenn Ihr Pierre Gaston wirklich wollte, dass ich herausfinde, was sie benutzt haben, warum dann dieses Katz-und-Maus-Spiel? Warum hat er es mir nicht einfach direkt gesagt, so wie es all die anderen Wissenschaftler getan haben, die auf diesen Artikel reagiert haben?«
    Die Leitung blieb eine Weile so still, dass sie schon befürchtete, dass sie getrennt worden waren. Nach einigen Sekunden fragte sie: »Inspecteur Racine?«
    »Ich bin noch da, Madame. Ich denke gerade über Ihre ausgezeichneten Fragen nach, und vielleicht bin ich sogar auf eine Antwort gestoßen.« Sie hörte, wie er einatmete und dann lang und tief ausatmete. Er muss gerade eine Zigarette rauchen, dachte sie, und im selben Moment entstand vor ihr das Bild eines französischen Polizisten – das, wie sie sich eingestehen musste, auf Claude Rains' Darstellung in Casablanca beruhte. »Obwohl der Vorstandsvorsitzende von Agriterre geleugnet hat, dass in seiner Gesellschaft ein Verbrechen begangen worden ist«, fuhr er fort, »ist es offensichtlich, dass Gaston etwas getan hat, von dem er wusste, dass es ihn ins Gefängnis bringen könnte. Als er den Brief geschrieben hat, wollte er ihn vielleicht nur als Drohung benutzen, dass Sie dort nach irgendwelchen Vektoren suchen könnten. Vielleicht war es eine Sicherheit denjenigen gegenüber, die ihn seiner Meinung nach ins Gefängnis bringen könnten. Das Versprechen, Ihnen ›noch etwas viel Tödlicheres‹ zu zeigen, hat er wahrscheinlich nur als zusätzlichen Köder hinzugefügt, um Sie dazu zu bringen, ihm tatsächlich zu helfen und ihn zu befreien, falls sein ursprünglicher Plan, Anklagen von sich fern zu halten, scheitern sollte.«
    Vielleicht haben Sie Recht, dachte Sullivan, nur dass man ihm stattdessen das Genick gebrochen hat.
    Die sonst eher etwas düstere Bar im Erdgeschoss des Plaza war an diesem Nachmittag ungewöhnlich belebt, und der Geräuschpegel passte eher zu einer Taverne am Fluss als zu der gediegenen Getränkequelle für die verwöhnten Gäste eines Luxushotels. Um halb fünf schob Steele den Stuhl von dem dunklen Eichentisch zurück, der ihm inzwischen ebenso vertraut war wie sein Schreibtisch im Krankenhaus, sammelte seine Zeitungen zusammen und schob das Bündel journalistischer Weisheit zusammengefaltet unter den Arm, um sich auf den Weg nach Hause zu machen.
    »Hey, Doc, Sie haben ja Ihren Whisky heute wieder kaum angerührt«, bemerkte der Kellner, ein stämmiger, untersetzter Mann, der nicht in diese Umgebung passte. Er war eher der Typ, der in der Kneipe Schlägereien schlichtet und ein Bier nach dem anderen zapft als Champagnercocktails

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