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Der Unsichtbare Feind

Titel: Der Unsichtbare Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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Fünfzigsten Straße kam, verlangsamte er seinen Schritt vor der St. Patrick's Cathedral, wo ein Trauerzug unter einer Doppelreihe von Schirmen die massiven, grauen Steinstufen herabschritt. Wie ein schwarzer Hundertfüßler stellte er seine Last auf einer Bahre ab, die am Rinnstein wartete, und Steele suchte sich seinen Weg durch die Nachzügler und erreichte die Straßenecke, wo er nach links einbog und die drei Blocks bis zur Lexington Avenue hinüberging. Dort gab es weniger Fußgänger, und die körperliche Bewegung, als er seine Geschwindigkeit erhöhte, tat ihm gut.
    Er legte die Strecke im Nu zurück, und als er auf seine Uhr sah, stellte er fest, dass er noch über eine halbe Stunde hatte, bevor Martha das Abendessen fertig haben würde. Anstatt wie üblich südwärts zur Sechsunddreißigsten Straße nach Hause zu gehen, entschloss er sich, einen kleinen Umweg über das Krankenhaus zu machen, und ging weiter in Richtung East River. Dort wollte er ein paar Versicherungsunterlagen abholen, die seine Sekretärin für ihn in seinem Büro hinterlegt hatte. Er beschleunigte den Schritt und dachte weiter über Chet nach.
    Nach ihrem ersten Zusammentreffen am Abend nach seiner Rückkehr hatte der Junge angefangen, nach den Mahlzeiten länger am Tisch zu bleiben, jedenfalls lange genug, um Martha davon zu erzählen, was er den Tag über erlebt und gemacht hatte. Ein Schulkonzert, bei dem er Gitarre gespielt hatte, wie seine Vorbereitungen für die Abschlussprüfung vorangingen, dass er noch keine Verabredung für die Jahresabschlussfeier der Klasse hatte – Steele hörte sich alles an, dankbar, dass ihm wenigstens das Privileg des Zuhörerstatus gewährt worden war. In den letzten Tagen jedoch hatte Chet angefangen, gelegentlich auch ihn in die Unterhaltung mit einzubeziehen. Sie hatten sogar eine kurze Diskussion, ob sie irgendwo am Meer für ein paar Wochen im Sommer ein Ferienhaus mieten sollten, aber der Plan war im Moment noch unverbindlich geblieben.
    »Das ist schon mal ein Anfang«, hatte Martha eines Abends anerkennend gesagt, nachdem Chet in sein Zimmer hinaufgegangen war.
    Steele lenkte seine Gedanken auf die Frage, wie er am besten in das Krankenhaus kommen sollte, ohne jemanden zu treffen, den er kannte. Seitdem er aus Hawaii zurückgekehrt war, hatte er sich überhaupt nicht mehr im Krankenhaus blicken lassen, denn er hatte keine Lust, die unvermeidlichen anzüglichen Bemerkungen und Blicke zu ertragen. Während er jetzt, am Ende des Tages, in sein Büro ging, hoffte er, im Verwaltungstrakt seiner Abteilung niemanden mehr zu treffen. Er hatte sich überlegt, dass er mit etwas Glück auch alle anderen umgehen konnte, wenn er den Hintereingang und nur das Treppenhaus benutzte.
    Vor allem wollte er nicht Greg Stanton in die Arme laufen. Wenn er auch ein wirklich guter Freund gewesen war, so war ihm doch klar, dass er auch ein Vollblutpolitiker war, wenn es um seine Rolle als Dekan ging. Er hatte einmal gehört, wie ihn jemand als ›besonders hinterhältigen Hundesohn‹ bezeichnete im Zusammenhang mit dem Fluss der Spendenmittel für die Fakultät und ihre Verteilung. Und das glaubte Steele sofort. Er hatte den Mann oft genug wütend über ›Parasiten mit Lehrstuhl‹ schimpfen hören. Ich sollte noch ein bisschen warten, bis sich der aufgewirbelte Staub gelegt hat, dachte er sich, denn er hatte keinen Zweifel, dass sein Auftritt und die Negativwerbung Gregs Leben mit den Buchhaltern im Rest der Universität schon schwer genug gemacht hatte. Die Entscheidung, ob er seine Tätigkeit als Chef der Notaufnahme wieder aufnehmen sollte, war erst in einem Monat fällig, und er hoffte, dass sie sich bis dahin alle auf andere Probleme konzentriert hatten und dass die Unannehmlichkeiten, die er verursacht hatte, bis dahin kein besonderes Thema mehr sein würden.
    Auch Kathleen Sullivan wollte er nicht begegnen. Obwohl er wusste, dass sie das Krankenhaus normalerweise seltener aufsuchte als Stanton, hatte seine Sekretärin ihn vorgewarnt, dass sie »ein paar Mal vorbeigeschaut hat, in der Hoffnung, Sie zu erwischen.«
    Der Gedanke, ihr gegenüberzustehen, machte ihn verlegen. Was konnte er sagen, nachdem er ihren Gegnern, den Sydney Aimes dieser Welt, mehr Munition für Breitseiten gegen sie geliefert hatte, als sie selbst jemals hätten aufbieten können? Dennoch schien sie fest entschlossen zu sein, mit ihm zu sprechen. Auf seinem Anrufbeantworter waren weitere Nachrichten von ihr, und immer bat sie dringend um

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