Der Unsichtbare Feind
Rückruf. Nur dass sie diesmal einen Köder für ihn ausgelegt hatte, indem sie auf ›wichtige neue Entwicklungen‹ anspielte, die sie mit ihm diskutieren wollte.
Jaja, so wird's wohl sein, dachte er und glaubte, dass sie ihm wohl nur das Gefühl vermitteln wollte, nützlich zu sein, indem sie ihn weiter in ihr Vorgehen einbezog. Die Vorstellung, dass sie sich so sehr bemühte, ihm ihre Freundlichkeit zu beweisen, fand er lästig. »Ich lasse mich von niemandem zum Objekt der Barmherzigkeit machen!«, grummelte er, während er an der First Avenue darauf wartete, dass die Ampel auf Grün sprang. Während er voller Wut dort stand, beschloss er, sie vielleicht anzurufen, wenn er wieder zu arbeiten anfing und wenigstens diese gesellschaftliche Position wiedererlangt hatte.
Als das grüne Licht aufleuchtete, überquerte er die geschäftige Hauptstraße, bog wieder südwärts ab und ging am United Nations Building vorbei. Hier war das Gedränge größer, eine Mischung aus Touristen auf Sightseeing, die durch die Eingangstore eilten, um noch die letzte Führung zu erwischen, und Delegierten aus aller Herren Länder, die herausströmten und das Gebäude anscheinend gar nicht schnell genug verlassen konnten. Steele hatte sich immer über die Gesprächsfetzen amüsiert, die er dort aufschnappte.
»… weiß nicht, ob er von der CIA oder der dümmste Landwirtschaftsberater ist, den sie mir je geschickt haben …«
»… natürlich sind wir in den Ratsversammlungen offiziell im Krieg, aber wir erklären uns jede Nacht im Bett den Frieden …«
»… Sie prangern den Waffenverkauf an, ich werde leugnen, dass er je stattgefunden hat, und dann sind wir rechtzeitig zum Spiel der Rangers fertig. Die Deutschen haben mir ihre Karten gegeben …«
An der 42. Straße bog er links ab und betrat ein Endstück dieser berüchtigten Straße, das nicht öder sein oder in größerem Gegensatz zu ihrem Ruf als Sex- und Glitzermeile stehen konnte. Sie war nur von fensterlosen roten Ziegelmauern, ein paar schäbigen Einfahrten und den Laderampen einiger heruntergekommener Fabriken gesäumt und hatte außer einem eingezäunten Übungsgelände für Hunde einen halben Block weiter unten nichts zu bieten, was irgendjemanden hätte anziehen können. Die vielen Gräser und Wildkräuter, die durch die Risse des verlassenen Bürgersteigs sprossen, gaben reichlich Zeugnis davon, wie wenig Menschen ihn benutzten. Sogar der Lärm der Stadt drang nicht bis hierher. Der Verkehr aus Midtown hinter ihm und des Franklin D. Roosevelt Drive weiter vorne über seinem Kopf klangen dumpf im Vergleich zum Echo seiner Schritte.
Er folgte seinem New Yorker Instinkt, sich nicht allein an einsamen Plätzen überraschen zu lassen, und ging in direkter Linie zu der Unterführung unter der Hochstraße, durch die man den East River Esplanade Park erreichte. Von dort aus würde er zwischen Joggern und Radfahrern den ganzen Weg am Flussufer entlang bis zum Krankenhaus an der 33. Straße gehen.
Ein paar Taxis mit geschlossenen, vom Nieselregen nassen Seitenfenstern fuhren an ihm vorbei auf die Auffahrt zur Hochstraße. Ein Laster, der das gleiche Ziel hatte, ratterte hinter ihnen her. Dann wurde die Straße wieder still, während er weitereilte. Ein paar Sekunden später fuhr langsam ein schwarzer Lieferwagen vorbei, dessen Motor so leise war, dass er ihn erst hörte, als das Fahrzeug auf gleicher Höhe mit ihm war. Er wurde sofort wachsam und fragte sich, was der Fahrer vorhatte, während er beobachtete, wie er ungefähr 50 Meter weiter vor ihm den Wagen vor dem Hundeübungsplatz zum Halten brachte. Zwei Männer in grauen Uniformen mit Schirmmützen stiegen aus und ließen zwei Deutsche Schäferhunde, groß wie Wölfe, aus dem hinteren Teil des Wagens heraus. Steele ging instinktiv langsamer, als er sah, dass sie nicht angeleint waren. Aber einer der Hundebesitzer gab einen knappen Befehl, und die beiden Hunde liefen eifrig durch ein doppeltes Tor, das auf den eingezäunten Platz führte, wo sie herumtollten.
Müssen Wachmänner sein, dachte er.
Der Mann, der den Befehl gegeben hatte, machte sich daran, seine Jacke auszuziehen, und warf sie zusammen mit der Mütze in den Lieferwagen. Er zog sein Hemd aus dem Hosenbund, griff nach einem Gegenstand, der wie ein Werkzeugkasten aussah, und rannte zum Parkeingang, etwa einen halben Block entfernt.
Steele hörte das Geräusch der Lederschuhe des Mannes und fand, dass er zum Laufen die falsche Kleidung anhatte.
Der
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