Der unsichtbare Feind (German Edition)
Mal, meine Liebe, wird es nicht mein Fingernagel sein, den Sie spüren!“
Tanja holte einmal tief Luft
und spuckte Haslauer ins Gesicht. Aller Abscheu und Enttäuschung, die sie
fühlte, hatte sie freien Lauf gelassen.
Fest wie eine Schraubzwinge
packte sie Haslauer am Arm und holte sie auf die Beine: „Wenn Ihnen Ihr eigenes
Leben egal ist, dann bin ich darauf gespannt, welche Antwort Sie mir in Kürze
geben werden.“
„Es wird dieselbe sein“,
zischte Tanja, während Haslauer sie aus dem Raum zerrte.
Mit einer Kopfbewegung wies er
die Wache vor der Tür an, auf Schönborn, der es nicht wagte auch nur ein Wort
von sich zu geben, aufzupassen.
Er zerrte Tanja den Gang
entlang, schlug eine Tür auf, zog sie hinter sich her und warf sie dann zu
Boden. An der Decke des fensterlosen Raumes hing eine flackernde Glühbirne in
einer Baustellenfassung. Die Wände waren in ein schmutziges Grau gehüllt.
Tanja hievte sich auf die
Knie. Ihre Kopfhaut brannte. Mit den Fingerspitzen kratzte sie über die Stelle,
an der sie Haslauer gepackt hatte, in der Hoffnung den Schmerz damit betäuben
zu können. Tanja zuckte zusammen, als die Tür laut in die Angeln fiel. Haslauer
stand gebieterisch vor ihr. Sie riss die Arme hoch, bevor Haslauers Handrücken
auf sie niederknallte.
Wieder packte er sie an den
Haaren: „Sehen Sie genau zu, Doktor Pavlova!“
Mit festem Griff drehte er
ihren Kopf, sodass ihr Blick auf eine in die Wand gelassene Glasscheibe, die Sicht
in den angrenzenden Raum bot, gerichtet war. Wieder hievte er sie auf die Beine
und drückte ihr Gesicht fest gegen das Glas.
Zwei Männer mit schwarzen
Skimasken klappten zwei ungleich hohe Bauböcke auseinander und legten eine zwei
Meter lange, gelbe Schaltafel darüber. Einer von ihnen verschwand durch die
Tür. Tanja ließ ihren Blick widerwillig durch den angrenzenden Raum schweifen.
Eine Scheibtruhe lehnte in einer Ecke, daneben zwei Säcke Zement. An den noch
feuchten Wänden war frischer Grobputz angebracht. Der Boden des Kellerraumes
bestand aus unebenen Erdschichten.
„Jahrelang war ich Ihr
Mentor“, schrie Haslauer erzürnt, „ich habe mich immer um Sie gekümmert. Ist es
nicht so?“
Wild riss er ihren Kopf hin
und her. Tanja biss die Zähne fest zusammen, um nicht lauthals zu schreien.
Diese Genugtuung würde sie ihm nicht geben.
„Aber Sie“, sagte er in
einem Sprühnebel winziger Speicheltröpfchen, „Sie ziehen einen lausigen Kiewara
mir vor. Ich hätte Ihnen alles geben können – Macht, Reichtum und Liebe, aber
Sie haben mich zurückgewiesen.“
Während Haslauer voll rage
auf Tanja einredete, trat ein weiterer groß gewachsener Mann an die Beiden
heran.
„Hahn, ist alles bereit?“,
zischte Haslauer den Landespolizeikommandanten zu.
Am Rand ihres Sichtfeldes nahm
Tanja ein knappes nicken des Mannes, mit dem fleischigen Gesicht, wahr.
Wieder lenkte Haslauer ihren
Blick zur Scheibe: „Sehen Sie gut zu“, forderte er sie auf.
Der maskierte Mann kehrte
mit einem Kanister Wasser und einem weißen Handtuch zurück. Beides stellte er
neben dem provisorischen Aufbau ab. Kurz danach zwängten sich zwei weitere
gleich gekleidete Männer durch die schmale Tür. In ihrer Mitte zogen sie den an
den Händen gefesselten Inspektor Stark mit sich.
Tanjas Augen weiteten sich
vor Entsetzen.
Wie eine leblose Hülle
transportierten sie Stark in die Mitte des Raumes. Unsanft packte einer der
Männer Stark am Hosenbein und hob ihn gemeinsam mit seinem Kollegen auf die
schräg gelagerte Schalplatte. Sie legten ihn der Länge nach auf den Rücken, den
Kopf auf die tiefere Seite des Aufbaues. Danach schnürten sie den Inspektor mit
grauen Gurten an Brust, Oberschenkeln und Fußgelenken an die gelbe Platte.
Die Angst jagte Tanja den
Rücken hoch. War er noch am Leben? Konnte es sein, dass diese schlaffe Hülle
tatsächlich noch Leben in sich hatte? Stark sah furchtbar aus. Sein Kopf
gerötet, der Körper von den Strapazen der letzten Tage abgemagert und schlaff.
Dunkle Ringe umschlossen seine Augen. Das Haar hing fettig gegen den Boden
herab.
Doch dann, Tanja
wiedersetzte sich ihren Peiniger und rückte näher an die Scheibe heran, bewegten
sich Starks Augenlieder, zumindest ein bisschen. Dann hob er langsam einen Arm
und führte ihn an seinen Kopf. Tanja fiel ein Stein vom Herzen. Gabriel lebte
tatsächlich, darin bestand kein Zweifel mehr.
Haslauer lockerte seinen
Griff, während Hahn Stellung neben ihr bezog.
Der Landespolizeikommandant
kicherte
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