Der unsichtbare Feind (German Edition)
geschah. Warum wollte sie Haslauer zwingen ein
Medikament gegen das Virus zu entwickeln? Nicht nur, dass er der wesentlich
fähigere Virologe von ihnen war, für ihren Vaterersatz, den er jahrelang
dargestellt hatte, würde sie alles tun. Er hätte einfach nur fragen müssen, ein
Vorschlag hätte bereits gereicht und sie hätte sich sofort an die Arbeit
gemacht.
„Wo sind wir hier?“, brachte
Tanja zögerlich hervor.
Haslauer seufzte: „Ist ja
sowieso schon egal. Wir sind in einem Nebengebäude von HumanPharm.“
„HumanPharm“, wiederholte
Tanja leise.
Dann war also alles wahr
gewesen. Die Wiederhacken, von denen dünne Drähte weggeführt hatte, gehörten
also tatsächlich zu einer Elektroschockpistole. Sie war betäubt worden und
hierher, auf das Firmengelände von HumanPharm, gebracht worden. Schönborn musste
es gleich ergangen sein, andernfalls würde er nicht neben ihr sitzen. Ein
prüfender Blick von Tanja huschte über Schönborn, der an die Wand starrte. Dann
kam ihr die plausibelste aller Ideen, die ihr im Kopf herumspukten. Haslauer
und Stark waren bei HumanPharm eingedrungen und erwischt worden. Man zwang
Haslauer zu dem, was er gerade tat. Möglicherweise hing ihr eigenes Leben davon
ab und er wollte sie nur beschützen. Das war des Rätsels Lösung. Es musste
einfach so sein!
Ohne darüber nachzudenken,
sprudelte es aus Tanja: „Wer zwingt Sie dazu, das hier zu tun? Sie müssen das
nicht machen. Doktor Haslauer, Sie sind wie ein Vater für mich!“
Eine Träne kullerte Tanjas
Wange herunter.
Haslauers Blick
versteinerte: „Wenn das so wäre, warum hören Sie dann nicht auf mich?“
„Ich verstehe nicht?“, sagte Tanja eingeschüchtert.
„Ich habe Ihnen gesagt Sie
sollten die Probe dieses Penners nicht weiter untersuchen, aber Sie wollten ja
nicht hören. Geben Sie mir nicht die Schuld an Ihrem Handeln.“
Haslauer ließ seinen erhobenen
Zeigefinger durch die Luft sausen, während sich sein Kopf rot färbte und pochende
Adern sich an seinem Hals abzeichneten.
Mit Tränen in den Augen versuchte
Tanja dagegenzuhalten: „Sie haben mich aber auch immer ermutigt meinen Gefühlen
zu folgen. Nichts weiter habe ich gemacht!“
Haslauer trat nahe an sie
heran: „Dann sagen Sie mir, Doktor Pavlova, was sagt Ihnen Ihr Gefühl jetzt?“
Tanja wischte sich die Tränen aus den Augen und richtete ihren Körper wieder
auf. Ein feuriger Blick traf Haslauer wie ein Blitzschlag: „Dass Sie sich Ihr
scheiß Virustatikum selbst entwickeln können.“
Haslauers Gesichtsmuskeln verkrampften:
„Sie werden ein Mittel gegen mein Virus entwickeln, dafür werde ich sorgen!“
Für einen Moment hielt Tanja
inne. Hatte er tatsächlich von seinem Virus gesprochen? Konnte es sein, dass
Haslauer tatsächlich darin verwickelt war. Dass er die Schuld an Zigtausenden
Infizierten und Tausenden Toten trug? War sie so naiv gewesen, nicht hinter die
Fassade dieses Mannes blicken zu können?
„Warum sehen Sie mich so
entsetzt an?“, wollte Haslauer wissen, „Als Sie aufgewacht sind und mich gesehn
haben, konnten Sie sich da nicht schon denken, dass ich es bin, der hinter
allem steckt?“
„Ich denke, ich wollte es
nicht glauben“, sagte Tanja gefasst.
„Wissen Sie Doktor Pavlova.
Ich habe für uns beide immer eine gemeinsame Zukunft gesehen. Schulter an
Schulter könnten wir Lebensformen kreieren und der Welt damit unseren Willen
aufzwingen. Geben Sie sich einen Ruck. Es ist noch nicht zu spät. Noch können
Sie sich mir anschließen“, sprudelte es förmlich aus Haslauer.
„Sie sind krank!“, erwiderte
Tanja, „kreieren Sie sich Ihr Gegenmittel selbst! Mehr habe ich dazu nicht mehr
zu sagen!“
Haslauers Augen verzogen
sich zu engen Schlitzen: „Leider gibt es nur zwei Menschen, die das Virus gut
genug kennen, um schnell ein effizientes Gegenmittel zu entwickeln, zumal das
Virus mutiert ist. Der Feigling neben Ihnen und Sie selbst.“
Tanja blieb stumm.
In Haslauer kochte die Wut
hoch. Mit einem Satz war er bei ihr, griff ihr in das lange, braune Haar und
riss ihren Kopf daran nach hinten. Tanjas Gesicht verzog sich zu einem stummen
Schrei, aber sie war zu stolz jetzt auch nur den Hauch einer Schwäche zu
zeigen. Sie würde ihm nicht gehorchen, auch wenn ihr Leben davon abhängen
würde. Sie biss die Zähne fest zusammen, bis sie das Gefühl hatte, sie jeden
Moment brechen zu hören.
Haslauer drückte den Nagel
seines Daumens fest in ihren Hals und führte ihn ihre Kehle entlang: „Das
nächste
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