Der unsichtbare Feind (German Edition)
trocken.
„Morddezernat?“, wiederholte
der Mann verblüfft und rückte seine Brille zurecht.
„Ja. Ich möchte Ihnen nur
ein paar Fragen stellen, nichts Schlimmes“, weichte er seine Gesichtszüge ein
wenig auf.
Verdutzt deutete der Mann
auf einen Sessel auf der gegenüberliegenden Seite des Schreibtisches: „Bitte
nehmen Sie Platz Inspektor. Mein Name ist Franz Stumm, ich bin der Schulleiter
dieser Institution“, begrüßte er Stark und reichte ihn die Hand.
„Sehr erfreut“, erwiderte
Stark.
„Kann ich Ihnen irgendetwas
anbiete? Kaffe oder Tee?“
„Nein danke.“
Der Konservative Seitenscheitel
des Schulleiters, gepaart mit seiner Brille und bleicher Gesichtsfarbe verriet
Stark vieles über den Charakter seines Gegenübers.
Der Direktor zupfte sich seine
Seidenkrawatte zu Recht und rutschte auf seinem Stuhl hin und her, in der
Hoffnung eine Position zu finden, die seinem Sitzfleisch eher entsprach.
Stark ließ noch einmal
seinen Blick durch den Raum schweifen: „Ich bin beeindruckt!“
„Danke Inspektor, wir
befinden uns hier im dorischen Zimmer. Sie können es ganz klar in den Ecken des
Raumes sehen. Die schlichten, bauchigen Säulen. Aber auch an den Kassetten an
der Decke. Sie zeigen die griechische Sonne, die vom blauen Himmel strahlt“,
sagte er stolz, genau in seinem Element.
„Und diese Steinquader?“,
wollt Stark wissen, „ist der Raum tatsächlich …“
„Oh, nein Inspektor, dahinter
befindet sich gewöhnliches Ziegelwerk. Was Sie sehen, ist aufgemalt.
Vertiefungen im Putz sollen Fugen simulieren um die Gestaltung sozusagen dreidimensional
wirken lassen.“
Stark stand auf und tastete
mit den Fingerspitzen vorsichtig an der Wand: „Unglaublich“, sagte er, „es ist
nicht zu erkennen.“
„Ja ich weiß“, antwortete
der Direktor angeregt, „und das, obwohl dieses Werk über dreißig Jahre alt ist.“
Stark inspizierte noch
einmal die Wand, ehe er wieder auf seinem Sessel Platz nahm.
„Jeder Raum in diesem
Gebäude trägt einen anderen Baustil, vor allem an den Klassenzimmern wurde
frenetisch gearbeitet. Es war den Erbauern wichtig, die jungen Menschen in
einer Umgebung der Inspiration zu entwickeln und zu formen“, trug der
Schulleiter vor, „das ist es uns heute noch.“
Stark nickte zustimmend.
„Sie sollten das ägyptische
Zimmer sehen, Inspektor, es beinhaltet unter anderem eine um den ganzen Raum
laufende Wandmalerei, dazu Hieroglyphen, die die Schüler studieren können.“
„Wie groß ist das Gelände
der Schule?“, wollte Stark wissen.
„Der Besitz der Schule
umfasst in etwa sieben Hektar, eine Parzelle Wald, direkt hinter dem Park
inklusive.“
„Als ich ankam, habe ich
noch ein weiteres Gebäude gesehen.“
„Stimmt genau Inspektor,
hinter diesem Gebäude, dem Hauptgebäude, befindet sich das Internat, dort
wohnen unsere Schüler.“
„Wie viele Schüler betreuen
Sie zurzeit?“
Der Direktor musste nicht
erst lange nachdenken: „Zweihundertvierundzwanzig genau. Unsere Dienste werden
auch international gerne in Anspruch genommen.“
„Die Schüler wohnen alle
hier?“
„Ja, das ist eine der Bedingungen,
um hier aufgenommen zu werden. Wir wollen den jungen Menschen nicht nur Wissen vermitteln,
wir wollen sie ganzheitlich formen, dazu ist es notwendig, einen gut
funktionierenden Internatsbetrieb zu führen.“
„War das immer schon so?“,
wollte Stark wissen.
„Ja, seit der Gründung vor mehr
als hundert Jahren“, führte der Direktor aus.
„Herr Stumm, wie lange sind
sie hier schon Schulleiter?“
„Seit zwei Jahren. Davor war
ich fünf Jahre Dozent an dieser Schule.“
Stark fuhr sich nachdenklich
übers Kinn: „Wie lange werden Schülerakten und Klassenfotos aufgehoben?“
„Ebenfalls seit Anbeginn des
Schulbetriebes“, sagte der Direktor achselzuckend.
„Kennen Sie einen Peter
Müller?“
Stumm schürzte nachdenklich
die Lippen: „Nein, ich glaube nicht, sollte ich das?“, murmelte er mit tonloser
Stimme.
„Nein, nicht unbedingt“,
antwortete Stark kopfschüttelnd.
„Wie schaut es damit aus,
kennen sie das?“, Stark kramte die Detailaufnahme des Siegelringes hervor und
legte sie dem Direktor auf den Tisch.
Stumms Augen wanderten über
das Bild, wie ein Scanner über einen Barcode: „So einen Siegelring habe ich
schon lange nicht mehr gesehen“, sagte er, ohne den Blick vom Bild zu nehmen, „Bis
in die späten siebziger war es üblich, jeden Schüler bei dessen Aufnahmeritus
einen Ring zu überreichen.
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