Der unsichtbare Feind (German Edition)
so der
Leitspruch der Schule.“
Stark überflog den Artikel
in Windeseile.
„Himmelstraße 62!“
Er sprang auf, packte
Dienstwaffe und Autoschlüssel und hastete zur Tür hinaus. Er war wieder im
Spiel.
Je weiter er nordwärts fuhr,
desto rarer wurden Wohn- und Einfamilienhäuser, und was noch Minuten zuvor von grauem
Stahlbeton dominiert war, verlor sich immer mehr in üppigem Grün.
Stark fuhr die lang
gestreckte Himmelstraße entlang und sog die Umgebung in sich auf. Zu seiner
Rechten standen saftig blühende Laubbäume, zu seiner Linken hoben sich die
unterschiedlichen Schattierungen der bäuerlichen Felder voneinander ab, die bis
an den tief blauen Horizont reichten.
Vor ihm erhob sich eine kreisrunde
Formation unterschiedlichster Baumarten. Vor jedem dieser Bäume war eine
Tonsäule in das saftige Grün eingelassen, die die Geschichte des jeweiligen
Baumes zu erzählen vermochte. Zusammen bildeten die Säulen den Klangraum des
Lebensbaumkreises, der zu besonderen Anlässen zartbesaitete klassische Musik
von sich gab und das Gefühl von Einklang und Sein mit der Natur vermittelte.
Gesäumt wurde der Zirkel von mehreren Reihen schlichten Holzbänken, die die
Idylle des Ortes vertieften.
Stark atmete tief durch,
dann steuerte er seinen Wagen durch ein Tor mit der Aufschrift „Himmelstraße
62“. Eine einhundert Meter lange, asphaltierte Allee spendete wohltuenden
Schatten in der gleißenden Sonne des beginnenden Mittags. An ihrem Ende ragte
eine barocke Villa mit strahlend weißer Fassade und türkisem Kupferdach. Eine
breite, sich verjüngende Treppe führte zu einem großen Holztor mit schwarzen
Eisenbeschlägen. Im Umfeld erstreckte sich ein gepflegter Park mit unzähligen
Bäumen, Sträuchern, Grünflächen und einem natürlich angelegten Teich, in dem
sich eine Schar Enten an dem mittig gelegenen Springbrunnen abkühlten.
Stark parkte seinen Wagen
und ging die Stufen zum Haupteingang hinauf. In der Luft hing der Duft frisch
geschnittenen Rasens vermischt mit dem von Rosen, die momentan in voller Blüte
standen. Am Eingang war ein vergoldetes Schild angebracht auf dem in
geschwungenen Lettern die Aufschrift: „Akademie zum Stiftswald, gegründet 1897“,
eingraviert war.
Er drückte den Öffner nach
unten und zog die in geölten Angeln laufende Tür auf.
Nach ein paar weiteren
Stufen fand er sich in einer Halle mit hoher Decke, Stuck an den Wänden und Büsten
ehemaliger Schulleiter wieder. Vor ihm befand sich ein Abgang in den Keller,
daneben eine Steintreppe mit verschnörkeltem Handlauf in den ersten Stock. Seitlich
führte jeweils ein Gang tiefer in das Gebäude hinein. Einer Messingtafel, die
einen Pfeil nach links formte, entnahm Stark den Weg zur Direktion. Ein alter
Mann mit blauem Arbeitsgewand, dicker Hornbrille und Brauen wie ein Kuckuck
wischte mit einem altertümlichen Mopp über den Mosaikboden des Ganges.
„Entschuldigen Sie“, adressierte
Stark den Mann freundlich.
Der gebückt arbeitende Mann
richtete sich auf und rümpfte die Nase: „Was kann ich für Sie tun?“
„Wo finde ich das Büro des
Direktors?“, hob Stark fragen die Brauen.
Der Mann streckte einen Arm
und deutete weiter den Gang entlang: „Geradeaus, letzte Tür rechts“, ehe er den
Mopp in den Aufwascheimer tauchte.
„Vielen Dank“, bedankte sich
Stark und ging weiter.
Bei der Tür des Direktors
angekommen, klopfte er einmal und drückte anschließend den Öffner.
Was er hinter der Tür zu
sehen bekam, versetzte ihn in eine andere Zeit. Zuerst verdutzt, dann
überrascht und schließlich fasziniert wanderte sein Blick durch den Raum. Die
Wände bestanden aus sandsteinfarbenen Steinquadern, mit vertieften, weißen
Fugen. Die Balkendecke beinhaltete stetig wiederkehrende, vertiefte Felder, in Himmelblau,
in deren Vordergrund eine tief gelbe Sonne strahlte. Umrandet wurden die Felder
von Verzierungen in hellen Farben. Ein Schreibtisch aus Sandelholz zierte die
Mitte des Raumes. Seine Bauform ließ anmuten, er stünde auf einer massiven
Platte. An den vier Ecken waren bauchige Säulen eingearbeitet, deren Schaft mit
scharfkantigen Längsriefen durchzogen war.
Der Mann hinter dem Tisch,
der gerade etwas auf seinem Computer tippte, blickte über seine
heruntergerutschte Brille hinweg auf Stark.
„Was kann ich für Sie tun?“,
fragte der Mittdreißiger augenzwinkernd.
Stark kramte seinen
Dienstausweis aus der Sakkotasche und öffnete ihn: „Ich bin Inspektor Stark vom
Morddezernat“, sagte er
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