Der unsichtbare Feind (German Edition)
Schalter um und presste ihre Augen auf das Okular. Was sie sah, verschlug
ihr den Atem. Sie rieb sich die Augen so fest sie konnte, nur um anschließend
dasselbe Bild unter dem Mikroskop wiederzufinden. Tanja richtete sich langsam
auf und fasste sich mit beiden Händen an den Kopf. Ihre Gedanken überschlugen
sich.
„Ich muss sofort Haslauer
informieren“, stammelte sie und rannte zum Telefon. Sie hob den Hörer ab und
wählte die Durchwahl einhundert. Ungeduldig lauschte die dem Läuten.
„Haslauer“, ertönte die
vertraute Stimme ihres Mentors und Freundes am anderen Ende der Leitung.
„Gott sei Dank, er ist noch
da“,dachte sie erleichtert.
„Doktor Haslauer, Pavlova
spricht“, hektisches Atmen übertönte ihre Stimme, „Bitte kommen Sie gleich ins
Labor. Erinnern Sie sich an die Abstriche des Obdachlosen? Ich habe da etwas
entdeckt, Sie müssen das sehen!“
„Was ist denn nur los?“, fragte
er mit besorgter Stimme, „meinen Sie den Befund, den wir uns gestern angesehen
haben? Ich dachte das wäre erledigt?“
„War es auch, aber ich hatte
mich entschieden, noch weitere Untersuchungen vorzunehmen, bitte kommen Sie
gleich.“
Dann folgte Stille, die kein
Ende mehr zu nehmen schien. Schließlich antwortete er: „Also gut. Ich mache
mich sofort auf den Weg und Tanja …“
„Ja?“
„Beruhigen Sie sich, ich bin
gleich da“, flüsterte er ihr zu.
„Gut Doktor Haslauer, ich
warte hier auf Sie.“
Haslauer unterbrach die
Leitung. Tanja stand da wie angewurzelt, den Hörer noch immer ans Ohr gepresst
da.
Kapitel 11
„Da sind Sie ja“, rief Tanja,
als sie Haslauers Silhouette im Durchgang erblickte.
Am liebsten wäre sie ihm um
den Hals gefallen und hätte bitterlich geweint, doch dafür war jetzt keine
Zeit.
„Was ist denn los meine
Liebe?“, tätschelte er ihr sanft die Schultern, als er an sie herantrat: „Wie
kann ich Ihnen helfen?“
Ohne zu antworten, zog ihn
Tanja am Ärmel seines teuren Maßanzuges zum Fluoreszenzmikroskop: „Sehen Sie da
durch!“, sagte sie beinahe im Befehlston.
Haslauer musterte sie
verdutzt, dann legte er seine Brille ab, sah durch das Okular und drehte am
Schärferegler.
„Wie alt ist diese Probe?“
„Vierundzwanzig Stunden.“
Haslauer blickte erschrocken
auf: „Das kann doch nicht sein“, sprach er mehr zu sich selbst als zu Tanja,
bevor er seine Augen erneut auf die Probe richtete.
„Das ist noch nicht alles“,
fuhr Tanja fort, „Sehen Sie sich den Bericht des PCR an, erst dann werden Sie mich
wirklich verstehen.“
Haslauer ging mit starrem
Blick zu der aufgeschlagenen Mappe und las. Als er wieder aufsah, war ihm alles
Blut aus dem Gesicht gewichen.
Er kniff nachdenklich die
Augen zusammen: „Und Sie sind sich absolut sicher, dass das Ergebnis fehlerfrei
ist?“
„Ja das bin ich“, nickte sie
bedrückt, „Moritz hat die Testreihen nach meinen Angaben durchgeführt, er neigt
nicht zu Fehlern.“
„Wenn das wahr ist“, er
schüttelte verwirrt den Kopf, „dann gnade uns Gott!“
„Doktor Haslauer, wir müssen
umgehend das Bundesministerium für Gesundheit alarmieren, der Krisenstab muss
unverzüglich installiert werden!“, sagte sie mit harter Stimme.
Er richtete den Blick an ihr
vorbei und studierte erneut den Bericht: „Sie haben recht, aber zuvor muss die
Untersuchung wiederholt werden, Sie wissen ja, eine zweite unabhängige
Untersuchung ist Vorschrift.“
„Ich weiß“, antwortete sie,
„Bitte führen Sie die Untersuchung durch“, bat sie den einzigen Menschen, zu
dem sie uneingeschränktes Vertrauen hatte.
„Also gut“, sagte Haslauer
mit belegter Stimme, während er sein Sakko auszog und sorgfältig über einen
Sessel hängte, „bitte geben Sie mir sämtliche Unterlagen und Abstriche, ich
werde mich unverzüglich an die Arbeit machen. Morgen früh, wenn die Ergebnisse
vorliegen, werden wir entsprechende Schritte einleiten“, versicherte er in
bestimmten Ton.
„Soll ich Ihnen assistieren?“
„Sollte Sie das, Doktor
Pavlova?“, sprach er wie ein Lehrer zu seinem Schüler.
Tanja seufzte: „Natürlich
nicht, ansonsten gilt die zweite Untersuchung nicht mehr als unabhängig und das
Zusammenkommen des Krisenstabes verzögert sich, Sie haben recht Doktor Haslauer“,
gestand Sie ein.
„Leider ist das so“, sah er
sie nachsichtig an, „Ich schlage vor, Sie gehen nach Hause und versuchen ein
paar Stunden zu schlafen, wir sehen uns morgen um genau sechs Uhr wieder hier.“
Tanja schöpfte Luft:
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