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Der unsichtbare Feind (German Edition)

Der unsichtbare Feind (German Edition)

Titel: Der unsichtbare Feind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nate Reynolds
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Tanja wusste, dass das ihre einzige Chance war. Sie
befand sich in einer der dunkelsten Ecken Wiens, allein und völlig hilflos. Verwahrloste
Sozialbauten reihten sich wie Bäume im Dschungel dicht aneinander.
    Tanja trat in die schlauchförmige
Einfahrt und lief in den unmittelbar angrenzenden Hof. Der Innenhof war von
allen Seiten von grauen Mauern, mit symmetrisch angeordneten Fenstern, umgeben.
Dominiert wurde er von unzähligen Bäumen und Sträuchern, die mit müden Ästen
langsam an einer dichten Decke Kletterpflanzen erstickten, eingerahmt von einem
buckligen Betonweg, aus dessen Rissen ungebändigt das Unkraut wucherte.
    Tanja scannte die Fassade.
Die Fenster, deren Scheiben geborsten oder mit langen Rissen durchzogen waren,
verdeutlichten den Zustand des Gebäudes. Einige der Fensterlöcher waren mit
alten Matratzen und Styroporresten ausgestopft. Es gab keinen Zweifel, das
Wohnhaus stand leer. Sie war hier völlig allein mit dem Wahnsinnigen. Bei dem
Gedanken, dass er jeden Moment hier sein würde, durchlief es sie eiskalt.
Hektisch sah sie sich nach einem geeigneten Versteck um. Sie lief zurück zur Einfahrt.
Eine Tür, die einen Spalt weit offen lag führte in das Innere des Gebäudes.
Tanja fasste den Öffner und riss vergebens mit aller Kraft daran. Die verschlissenen
Angeln hatten vor langer Zeit nachgegeben und sie saß fest am Kiesboden auf. Tanja
schob sich durch den schmalen Spalt und fand sich in völliger Finsternis
wieder. Kühle Luft strich über ihren Körper. Der klebrige Schweiß an ihrer Haut
fühlte sich wie tausend Nadelstiche an, als er abtrocknete. Unter ihren Füßen
spürte sie einen harten Steinboden, übersät mit abgesplittertem Mauerwerk, das
unter der Last ihres Körpers bei jeder Bewegung krachte. Mit winzigen Schritten
und ausgesteckten Armen tastete sich weiter in die Finsternis, bis sie eine
Wand berührte. Der aufgewühlte Staub roch modrig. Tanja versuchte krampfhaft
das aufkommende Würgen zu unterdrücken. Ohne nachzudenken, drehte sie sich nach
links und ging, eine Handfläche immer an der Wand, weiter. Nach ein paar
Schritten fühlte sie einen gusseisernen Handlauf, der nach unten führte. Vorsichtig
rutschte sie mit ihrem Fuß so weit nach vor, bis sie die erste Treppe durch die
Gummisohle ihrer Sportschuhe fühlte.
    Sie blieb starr wie ein
Brett stehen, als sie die Schritte ihres Verfolgers in der Einfahrt hörte. Auf
einmal stand ihr der Schweiß auf der Stirn. Instinktiv wischte sie sich die
salzige Flüssigkeit mit dem Ärmel ab. Eilig nahm sie eine Stufe nach der
anderen, hastete über den Treppenabsatz und folgte dem Treppenlauf weiter, bis
sie unten angelangt war. Sie war sich sicher, dass der Wahnsinnige nicht
gesehen hatte, wo sie war, wahrscheinlich durchsuchte er gerade den Hof. Tanja
nahm sich ein Herz, zog ein Feuerzeug aus ihrer Tasche und drehte dessen Reibrad
in einer schnellen Bewegung. Auf vereinzelte Funken folge eine kleine Flamme,
die den schmalen Gang mit flackerndem Licht flutete.
    In Bruchteilen einer Sekunde
erfasste sie ihre Umgebung. Sie stand auf bloßem Erdboden, entlang der nackten
Ziegelwände reihten sich Kellerabteile aneinander. Die Türen waren aus
unbehandelten Holzlatten gezimmert, davor waren Vorhängeschlösser montiert.
    Sie lief zum ersten Abteil
und beleuchtete das Schloss. Der U-Bügel steckte fest im Schließzylinder. Schwer
atmend rannte sie zum nächsten Abteil, nur um dort dasselbe Szenario
wiederzufinden. Sie verharrte für einen Moment, bevor sie zum dritten Abteil
weiterlief. Triumphierend ballte sie die Fäuste, das Schloss stand offen.
    Sie zog es vorsichtig aus
der Überwurffalle und öffnete das Scharnier. Katzenartig schob sie sich durch
die Tür, die sie hinter sich sogleich wieder verschloss. Anschließend steckte
sie ihre zierlichen Arme zwischen den rauen Holzlatten durch und drückte das
Vorhängeschloss zu. Kraftlos kauerte sie sich in eine Ecke des Kellerabteils
hinter einem mannhohen Stapel alter Zeitschriften.
    Ein Geräusch fuhr ihr durch
Mark und Bein. Die Tür, die in das Innere des Gebäudes führte, wurde gewaltsam
aufgerissen. Nicht mehr lange und er würde hier im Keller nach ihr suchen.
Sollte er sie finden, dann wäre alles verloren. Von hier aus gab es kein Entkommen,
keinen Fluchtweg, nichts. Verängstigt starrte sie in die Dunkelheit. Eine einsame
Träne lief über ihr Nasenbein. Tanja zitterte am ganzen Körper. Sie steckte die
Hände in die Taschen ihrer Weste, um sie zu

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