Der unsichtbare Feind (German Edition)
„Gut
Doktor Haslauer, wir sehen uns morgen.“
Als Tanja das Gebäude
verließ, pochte ihr Herz noch immer wie ein Presslufthammer. Ihre Gedankte
kreisen um das, was sie gerade mit eigenen Augen gesehen hatte, aber noch immer
nicht glauben konnte. Neben ihr fuhr die Straßenbahn in die Haltestelle ein. Ihr
Blick streifte den rot gestrichenen Führerwagen, der unzählige Waggons hinter
sich herzog, aber Tanja wusste, dass sie den Fußweg zu ihrer Wohnung jetzt
bitter nötig hatte, um ihre Gedanken zu ordnen. Die Straßenlaternen waren
bereits vor einer Weile zum Leben erwacht, während das fahle Licht der
Abenddämmerung langsam der Schwärze der Nacht wich.
Wie hypnotisiert wanderte
sie, ihren Blick starr auf den Asphalt gerichtet, am St. Anna Kinderspital vorüber
und bog in die Feldgasse ein. Ihre zittrigen Hände hatte sie dicht an den
Körper gepresst. Sollten sich ihre Untersuchungen bestätigen, dann stünde nicht
nur Wien, sondern die ganze Welt vor einer Epidemie ungeahnten Ausmaßes. Der
größte Feind der virologischen Bekämpfung waren nicht etwa die Viren selbst,
der größte Feind war die globalisierte Welt. Frühstück in Wien, Mittagessen in
London, abends ein Spaziergang auf der Pariser champs elysee, heutzutage ganz
und gar keine abwegige Vorstellung mehr. Führende Wissenschaftler hatten
bereits vor Jahren vor der raschen weltweiten Verbreitung von Viren gewarnt,
aber in einer Welt in der Spekulationen und Bankgeschäfte das Leben bestimmten
und Stichworte wie Jetset den Lebensalltag beschrieben, war wenig Platz für
Prävention und Forschung. Die Welt war einfach zu schnelllebig geworden. Tanja
schluckte tief, während sie orientierungslos die Straße entlangging. Eine
flackernde Laterne erzeugte zuckende Schatten auf der menschenleeren Straße und
spielte dabei eine surrende Melodie. Obwohl es trotz der einsetzenden Nacht
noch immer über fünfundzwanzig Grad hatte, fröstelte es Tanja so sehr, dass sie
mit ihren Handflächen fest über ihre Oberarme rieb. Ihre Handtasche wippte im
Gleichklang ihrer Schritte, während ihre Sportschuhe ein knautschendes Geräusch
erzeugten, als sie die Gummisohlen am Gehsteig mit jedem Schritt abrollte.
Unwillkürlich musste Sie an
die Zeit denken, als sie beschlossen hatte, sich von der ungeliebten Gerichtsmedizin
abzuwenden, um den Mikrokosmos zu erforschen. Die Gerichtsmedizin hatte sie nie
ausgefüllt, es war von Anfang an eine gewisse Leere da gewesen, die sich
schrittweise in ihr ausgebreitet hatte. Aber die Faszination die Viren in ihr
weckten, schien umso größer. Etwas das so klein war aber gleichzeitig so mächtig
und alle Zeitalter des Planeten überdauert hatte, faszinierte sie damals so
sehr, dass sie nicht anders konnte, als sich diesem Gebiet zu verschreiben. Damals
hatte sie Buch um Buch, Fachzeitschrift um Fachzeitschrift verschlungen, alles aufgestöbert,
was es zum Thema gab, aber ihren Wissensdurst vermochte sie damit nicht zu
stillen. Also zog es sie eines Tages in das virologische Institut. Es war jener
Augenblick, an dem sie Doktor Haslauer das erste Mal begegnete. Als Dozent hielt
er gerade einen Vortrag über das Ebola Virus. Tanja hatte in der letzte Reihe
Platz genommen und fasziniert seinen brillanten Ausführungen gelauscht. Es war
dann Haslauer gewesen, der sie nach dem Vortrag angesprochen hatte. Es war ihm
nicht entgangen gewesen, mit wie viel Leidenschaft sie ihm zugehört hatte.
Schließlich hatte er ihr eine Stelle zur Fachausbildung an seinem Institut
angeboten und sie unter seine Fittiche genommen. Haslauer war über die Jahre von
einem Lehrer zu einem Mentor und irgendwie auch zu einem Vaterersatz für sie
geworden.
Während Tanja in Erinnerungen
schwelgte, wäre ihr fast entgangen, dass sich unter die monotonen Geräusche der
flackernden Laterne und den knautschenden Gummisohlen noch ein weiteres
undefinierbares Geräusch gemischt hatte. Und es kam näher.
Kapitel 12
Tanja verharrte für einen
Moment. Sie sah sich nach allen Seiten um. Sie war alleine. Als sie realisierte,
was das bedeutete, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Mit langen Schritten hastete
sie über den Asphalt. Keine Menschenseele war hier zu sehen. Immer wieder
blickte sie sich um, aber da war nichts, und doch, das Geräusch wurde zunehmend
lauter. Jetzt war sie sich sicher, dass es Schritte waren. Der Rhythmus passte
genau, einzig der hohle Klang ließ sie noch zweifeln.
Verunsichert rief sie laut:
„Hallo?“, während sie ihren Beinen
Weitere Kostenlose Bücher