Der unsichtbare Feind (German Edition)
er nervös, „Dort
drüben sitzt ein Mann. Ich glaube es geht ihm nicht gut. Er braucht dringend
Hilfe.“
Gelangweilt sah die Frau von
den Akten die vor ihr auf dem Tisch ausgebreitet waren auf: „Sind Sie ein
Angehöriger?“
„Nein, ich kenne ihn nicht.
Er ist gerade hier herein getorkelt. Er scheint benommen, kann kaum atmen.“
Die Frau wandte sich ab, quittierte
einen Befund mit einem Stempel des Krankenhauses, ehe sie antwortete: „Ich
verstehe. Dann bräuchte ich jetzt seine E-Card!“
Der Mann sah sie mit
flammendem Blick an: „Sie brauchen was? Ich habe seine E-Card nicht. Dem Mann
muss geholfen werden … jetzt!“
„Mein Herr beruhigen Sie
sich. Das Aushändigen der E-Card ist Pflicht, auch für Sie. Stellen Sie sich vor
…“
„Scheiss drauf“, unterbrach
der entnervte Mann die Frau in Weiß und wandte sich ab.
Hektisch wanderte sein Blick
durch den Wartebereich. Wie ein Laser fixierten seine Augen zwei Männer mit
weißem Kittel und Stethoskop um den Hals, die schwatzend den Gang
entlangliefen.
„Doktor!“, erhob der
rothaarige Mann seine Stimme, „Sie da!“, rief er erneut, bis die beiden Ärzte
in der Bewegung erstarrten und sich ihm zuwandten.
Verdutzt sahen sie den Mann
an.
Einer der beiden schürzte
seine fleischigen Lippen und kam auf ihn zu: „Ja bitte?“
„Dort drüben“, er deutete
auf den alten Mann, der sich kaum noch im Sessel halten konnte, „Er ist gerade
hier hereingekommen, alleine. Es geht ihm schlecht. Sie müssen ihm helfen!“
Der Arzt rückte seine Brille
zurecht, während sein Blick den alten Mann am anderen Ende des Warteraumes
abwanderte. Sein tiefes Röcheln war bis hierher zu hören. Sein Kopf hatte
graublaue Farbe angenommen.
„Oh mein Gott“, sagte der
Arzt mehr zu sich selbst als zu dem Mann, „Komm schnell“, rief er seinen
Kollegen herbei.
Im Saal herrschte plötzlich
Totenstille. Alles blickte gebannt zu den Ärzten, die den Puls des kranken
Mannes abhörten und seine Mundschleimhäute begutachteten.
„Der Hals ist komplett
zugeschwollen“, analysierte einer der Ärzte, „Die Schleimhäute sind entzunden,
die Zunge weiß belegt.“
Den desorientierten Mann
durchfuhr ein Frösteln.
„Schwester“, rief der Arzt
mit den fleischigen Lippen der jungen Frau hinter der Verglasung zu, „Wir
brauchen sofort eine Fahrtrage und lassen Sie umgehend einen Behandlungsraum
vorbereiten, wir müssen intubieren!“
„Komm! Halt noch ein wenig
durch, alter Freund!“, flüsterte der Arzt beschwörend.
Sein junger Kollege wischte
sich eine Strähne seines halblangen, blonden Haares aus dem Gesicht: „Kennst du
den Mann?“
Er blickte mit blutleeren
Lippen auf: „Das ist Robert Kasper. Er ist Arzt am gerichtsmedizinischen
Institut“, er schluckte tief, „und einer meiner ältesten Freunde.“
Kapitel 16
„Tanja ich muss jetzt
auflegen. Machen Sie sich auf den Weg!“, ertönte Starks gehetzte Stimme durch
die Muschel ihres Telefons, dann war die Leitung unterbrochen.
Entsetzen breitete sich in Tanja
aus. Hatte er tatsächlich gerade gesagt sie würde verdächtigt, Doktor Haslauer
ermordet zu haben? Ihren Mentor, mit dem sie gestern Abend noch gesprochen
hatte? Es konnte nicht sein, dass er tot war. Kaum hatte sie zu Ende gedacht,
traf es sie wie ein Vorschlaghammer.
„Oh mein Gott“, flüsterte
sie.
Bei all der Aufregung der
letzten zwölf Stunden, hatte sie beinahe auf die Untersuchungsergebnisse der
Virenproben vergessen, deren Resultate sie am liebsten vergessen würde. Haslauer
wollte sie gegenprüfen und jetzt war er tot.
Wie gelähmt stand sie da,
ihr Mobiltelefon noch immer fest ans Ohr gedrückt und starrte an die Wand.
Das Geräusch einer
näherkommenden Sirene ließ sie aufschrecken. Anders als bei der Begegnung mit
dem schwarzen Mann funktionierte ihr Verstand jetzt messerscharf. Sie packte
ihre Handtasche und hastete zu Wohnungstür. Tanja schob die Klappe zur Seite
und presste ein Auge auf den Türspion. Am Gang herrschte Totenstille.
Vorsichtig drückte sie den Türöffner und trat auf den mit rotem Teppich
ausgelegten Gang. Ihren ersten Gedanken, den Fahrstuhl zu benützen verwarf sie
und hastete das Treppenhaus entlang, das sich wie eine Kletterpflanze und den
Fahrstuhlschacht schlang. Hastige Schritte, die von unten an ihr Ohr drangen,
ließen sie am Treppenabsatz zwischen fünften und vierten Stock verharren.
Vorsichtig schob sie ihren Kopf über das Kirschholzgeländer und spähte nach
unten. Im Erdgeschoss sah
Weitere Kostenlose Bücher