Der unsichtbare Feind (German Edition)
Kilometer
entfernt. Am Maschendrahtzaun, der von Stacheldraht gekrönt war, verebbte die Steppe,
die die Hitzewelle gefordert hatte, in saftiges, perfekt getrimmtes Grün, das
dahinter spross. Weite Grasflächen durchzogen von Natursteinwegen lagen vor
mehreren in Weiß gestrichenen Gebäuden. Stark schwenkte das Fernglas und
richtete seine Aufmerksamkeit auf eine Wachhütte. In das Stahlgerüst waren
verspiegelte, schusssichere Glasplatten eingelassen. Am Eingang stand ein in schwarz
Uniformierter Mann mit Kevlarhelm und einem Sturmgewehr 77, mit verkürztem
Lauf, vor der Brust. An seinem Gürtel hingen ein paar Handschellen,
Ersatzmagazine, ein Funkgerät und ein Lesegerät. Daneben befand sich eine
rot-weiß gestreifte Schranke, die den Weg zum Firmengelände von HumanPharm
versperrte.
Stark beobachtete einen
Wagen zur Schranke vorfahren. Jemand kurbelte das Fahrerfenster herunter und
streckte eine weiße Zutrittskarte im Scheckkartenformat aus dem Auto. Die Wache
zog das Lesegerät aus dem Holster und scannte die Karte. Nach einem Blick auf
den fünf Zoll Monitor des Gerätes nickte der Mann kurz und betätigte dann einen
Knopf an der Steuerung der Schranke, die sogleich nach oben glitt. Hinter dem
Wagen schloss der Wachmann den Zugang zum Areal wieder.
Stark blickte auf seine Rolex.
Es war kurz nach sieben Uhr morgens. Gegen halb acht würden die Angestellten
der Firma wie Ameisen einströmen. Die Wache würde den Schranken nicht mehr nach
jedem Auto wieder schließen und erfahrungsgemäß auch weniger genau
kontrollieren. Stark fischte ein Wertkartenhandy samt Bluetooth
Fernsprecheinrichtung aus der Tasche, steckte den Stöpsel in sein Ohr und
wählte eine Nummer.
„Hallo Gabriel?“, meldete
sich eine Stimme, noch bevor es das erste Mal geklingelt hatte.
„Spricht da meine
Lieblingsvirologin?“, antwortete Stark augenzwinkernd.
„Wo bist du jetzt?“, drängte
sich die Stimme von Manuel in die Leitung.
„Ein bis zwei Kilometer vor
dem Eingang.“
„Ist er bewacht?“
„Ja. Ein Mann an der
Schranke“, Stark blickte erneut durch das Fernglas, „und ein Mann in der
Wachhütte.“
„Scheiße“, fluchte Manuel,
„mit meiner Karte kommst du so nicht durch.“
Stark legte die Stirn
besorgt in Falten, als er an die von Manuel angefertigte Karte in seiner
Hosentasche dachte. Manuel hatte ihm einen Data Matrix Code besorgt, der die
Zahl 1023 zählte, eine weniger als der Code der Person, die er versuchte
ausfindig zu machen. Mit diesem, auf Fotopapier gedruckten Code konnte er wohl
das entsprechende Lesegerät überlisten, nicht aber die Wache. Ohne gültigen
Ausweis war er nicht imstande das Areal zu betreten.
Während Stark angespannt
nachdachte und auch vom anderen Ende der Leitung nur gequältes Rauschen an sein
Ohr drang, wurde der Verkehr um das Firmengelände dichter. Langsam aber sicher
bildete sich eine Kolonne vor der Wachhütte.
„Hey Sie da?“, riss ihn eine
unbekannte Stimme aus seinen Gedanken.
Stark richtete sich auf und
wandte sich der Straße zu.
„Geht es Ihnen gut?“, wollte
der Mann wissen, der seinen Kopf aus dem Autofenster steckte.
„Ja, alles in Ordnung. Es
ist nur …“, Stark wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes den Schweiß von der
Stirn, „… diese anhaltende Hitze. Ich habe meiner Frau noch gesagt wir brauchen
ein Auto mit Klimaanlage, aber Sie wissen schon …“, Stark legte eine Pause ein,
„Mein Kreislauf hat sich bei mir beschwert, nichts weiter.“
Der Mann kicherte vergnügt:
„Ich kann das sehr gut verstehen. Die rauben einem doch den letzten Nerv die
Weiber. Ich habe mich letzten Monat scheiden lassen und seither lebe ich wie
ein König.“
Der Mann grinste von einem
Ohr zum anderen, winkte Stark noch einmal zu und fuhr weiter.
Stark atmete tief durch, als
das Heck des Volvos in der Entfernung kleiner wurde.
Immer mehr Autos strömten an
ihm vorbei. Er konnte es sich nicht leisten, noch weiter aufzufallen. Es gab
nur zwei Möglichkeiten. Umdrehen und von null beginnen, war die erste seiner
Optionen.
Stark biss die Zähne
zusammen, unterbrach wortlos die Verbindung am Mobiltelefon und stapfte zum
Auto. Angewidert schüttelte er den Kopf, als sein Blick die übergroße Maus auf
der Motorhaube des Autos streifte, in das er einstieg. Stark betätigte den
Öffner der Fahrertür, seufzte und betätigte ihn erneut, bis schlussendlich die
Tür quietschend aufsprang. Säuerlich setzte er sich auf den Sitz und warf die
Tür verächtlich zu. Dann
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