Der unsichtbare Feind (German Edition)
1“, stammelte sie abwesend und senkte das Mikrofon als wäre es aus Blei.
Heinz Lehner erschien nun
wieder auf dem Bildschirm. Als er merkte, dass er wieder auf Sendung war,
richtete er sich wieder zu voller Größe auf und tauschte den entsetzten Blick
auf seinem Gesicht gegen die ausdruckslose Miene, die er tagtäglich während
seiner Sendung aufzusetzen vermochte: „Danke Caroline für den Beitrag. Gerade
eben hat uns eine weitere Meldung ereilt. Die vorsichtig positiven Prognosen
der Virologen, schnell einen Impfstoff zu finden, haben sich aufgelöst. Als
Grund nannte man die rasende Geschwindigkeit, mit der das Virus die Wirtszellen
zerstört. Das mache es im Moment unmöglich, das Virus in den benötigten Mengen
zu züchten.“
Mit knirschenden Zähnen
griff Stark zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher auf Stand-by: „Mit
solchen Arschlöchern geht die Demokratie zu Grunde!“, knurrte er und wischte
sich die schweißnasse Stirn mit seiner Decke ab.
„Kennst du ihn persönlich?“
„Ja“, hustete Stark unter
seiner Maske, „er hat mich bei den Ermittlungen im Dreifachmord behindert.“
„Ah ich verstehe“, versuchte
Tanja die Stimmung ein wenig aufzuheitern, „er hat sozusagen in deinem Revier
gejagt.“
„Sozusagen“, war Starks
knappe Antwort.
„Mit der Ausgangssperre wird
es schwierig, quer durch Wien zu Schönborn zu gelangen“, stellte Tanja fest.
„Ich habe da schon eine
Idee“, hüstelte Stark und machte es sich auf seinem Feldbett bequem.
Manuel Hasler zuckte zusammen,
als das Klingeln an der Tür die Stille im Raum durchschnitt.
„Schon wieder Stark?“,
fluchte er vor sich hin und brachte seine hundertzwanzig Kilogramm schwerfällig
in Bewegung.
Er polterte die Treppe
hinunter, watschelte zur Tür und riss sie in einer Bewegung auf. Sein Gesicht
wurde aschfahl, seine blutleeren Lippen zitterten. Das, was Manuel vor sich sah,
erschütterte ihn in seinen Grundfesten. Panisch wich er zurück, ruderte mit
seinen Händen, um schneller voranzukommen, doch die Gestalt folgte ihm
unaufhörlich. Manuel war wie betäubt, er brachte nicht ein Wort hervor. Sein
Mund verzog sich zu einem gequälten stummen Schrei, ehe die Gestalt bei ihm
angelangt war. Manuel spürte einen spitzen Gegenstand an seine Brust drücken.
Plötzlich gaben Haut und Fettgewebe nach und der metallische Gegenstand, den
der Mann in seiner Hand führte, bohrte sich in Manuels Fleisch. Manuel machte
einen Satz nach hinten, stolperte und fiel zu Boden. Etwas Kaltes breitete sich
auf seinem Oberkörper aus. Sein T-shirt klebte an seiner Haut. Manuel wagte es
nicht, den Blick von der Gestalt, die Gefallen an all dem zu haben schien, zu
nehmen. Ungehindert kam der Mann näher. Wellen des Schmerzes brachen über ihn
ein und schienen auch die entferntesten Regionen in seinem Körper zu erreichen.
Das Messer in der Hand des Wahnsinnigen, das eben noch im Licht des Lusters
geblitzt hatte, war von einer roten, zähen Flüssigkeit bedeckt. Manuel fiel das
Denken schwer. Müdigkeit breitete sich in ihm aus. Entkräftet lag er auf dem
Boden und sah auf die Gestalt über ihn. Ein weiterer Hieb ließ seinen Körper
erbeben, bis er wie durch ein Wunder nichts mehr spürte und undurchdringliche
Schwärze über ihn einbrach.
Kapitel 29
Erst jetzt wurde Tanja
bewusst, wie viele Schlaglöcher sich in Wiens Straßen gefressen hatten. Die harten
Stoßdämpfer des Truppentransporters ließen in regelmäßigen Abständen ihre
Gebeine erzittern. Sie warf Stark einen verunsicherten Blick zu, den er unter
seiner Maske nicht zu erwidern vermochte. Nichts desto trotz schien Starks Plan
abermals aufzugehen. Um zu Schönborns vermeintlichen Aufenthaltsortes zu
gelangen, hatte Stark auch Tanja eine Filtermaske beschert, damit die Behörden
sie nicht erkannten. Sie waren durch die Straßen gewandert, bis sie einen
Militärtransporter über den Weg gelaufen waren. Mit der Ausrede, erst jetzt von
der Ausgangssperre erfahren zu haben, hatten sie um Geleit nach Hause gebeten.
Natürlich wusste der Stabswachtmeister, mit dem sie gesprochen hatten, nicht,
dass die Adresse die sie ihm übermittelt hatten, nicht ihre eigene, sonder die
des möglichen Versteckes von Schönborn war. Stark hatte das Militär schlicht
als Taxi verwendet.
Hinter der Fahrerkabine des Militärfahrzeuges
befand sich eine Ladefläche mit zwei langen Sitzreihen, darüber ein halbkreisförmiges
Stahlgerüst, über das eine löchrige, olivgrüne Plane gespannt war,
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