Der unsichtbare Killer
Kinder auf waren. Vermutlich versuchten sie, sich selbst Frühstück zu machen, und nur der Himmel wusste, wohin das führen mochte. Zumindest würde Isadora, mit vierzehn Jahren die Älteste, die Leitung übernehmen. Obwohl er sich wunderte, dass ein Teenager in diesem Alter so früh aufstand. Dieses Völkchen sollte eigentlich bis mittags schlafen und den ganzen Tag muffelig durchs Haus ziehen, statt die Art glücklicher Freude zeigen, wie Isadora es tat. Dass sie so sehr das Stereotyp brach, war etwas, für das er dankbar sein sollte.
Muss wohl nach ihrer Mutter kommen.
Er drehte den Kopf und sah Emily an. Ihre üppigen kastanienbraunen Haare ergossen sich in einer wilden Woge auf das Kopfkissen und ließen gerade noch das bezaubernde, fein geschnittene Gesicht mit dem kleinen Mund und der langen Nase frei. Ihre Haut war von den anderthalb Jahrzehnten, die sie inzwischen der Sonne von St Libra ausgesetzt war, gebräunt, daher war es schwer geworden, die Sommersprossen zu erkennen. Aber sie waren da, im dunstigen Licht dieses Morgens sogar ungewöhnlich gut zu sehen.
Einen langen Moment dachte er daran, die Hand auszustrecken und ihr über die Haare zu streichen. Sich vorzubeugen und ihr einen Kuss zu geben, den sie träge erwidern würde. Die Decke langsam und geziert nach unten zu schieben. Emily trug nie mehr als eine Pyjama-Hose, was er selbst nach sechzehn Jahren Ehe immer noch unwiderstehlich sexy fand. Aber sie hatte auch einen Körper, der zu dem wunderschönen Gesicht passte.
Die Vorstellung, dass der Morgen aus nichts anderem als gemütlichem Sex bestehen könnte, war in der Tat verlockend. Aber als sein Herz schneller schlug und er richtig aufwachte, musste er sich seufzend möglichst vorsichtig aus dem Bett rollen. Die Schritte bis zum Badezimmer waren inzwischen geradezu erschütternd vertraut geworden. Leider hatte er mit achtundfünfzig Jahren nicht mehr ganz den Körper, der zu dem seiner sehr viel jüngeren Frau passte; seine Gelenke waren ständig steif und zwickten, und die kurzen lockigen Haare, die schon vor langer Zeit ein verräterisches Grau angenommen hatten, machten allmählich der gefürchteten männlichen Glatze Platz, während seine Eingeweide trotz täglicher Übungen und einer gesunden Ernährung, die er fast nie außer Acht ließ, nach unten sackten. Eine zunehmende Schwächung, an die ihn seine Blase jeden Morgen mit einem drängenden Gefühl erinnerte.
Als er zurückkehrte, war Emily ebenfalls wach geworden; sie stützte sich auf einen Ellenbogen und zog die Decke sittsam über ihre Schultern. Er rollte sich auf die Matratze zurück und kuschelte sich an sie.
Sie lächelte wissend. »Sie sind bereits wach.«
»Sie werden nicht reinkommen.«
»Runter mit dir, Junge.«
Saul verdrehte die Augen in gespielter Verzweiflung. »Es ist Wochenende.«
»Jetzt tust du, als hättest du es dringend nötig.«
»Ich habe es immer dringend nötig.«
Eine elegante Augenbraue hob sich geringschätzig. »Ja.«
»Wir könnten ein Schloss an der Tür anbringen.« Etwas, das Emily nie befürwortet hatte – sie wollte, dass die Kinder immer zu ihr kommen konnten, wenn irgendetwas los war.
»Wieso es dabei belassen? Wieso ziehen wir nicht einfach aus?«
»Du bist eine grausame Frau. Aber ich mag die Idee. Wir könnten es uns wahrscheinlich leisten, etwas zu mieten, vielleicht eine nette Zweitwohnung.«
Sie lächelte über seine Albernheit und beugte sich vor, um ihn zu küssen. Der Rest des Lakens rutschte von ihrem Körper, und er legte seine Hand auf ihre entblößte seidenweiche warme Haut.
Die Schritte von kleinen Füßen donnerten draußen geräuschvoll über den Flur. Saul schaffte es gerade noch rechtzeitig, die Knutscherei in ein harmlos aussehendes »Mom und Dad kuscheln miteinander« zu verwandeln, als die Tür aufgerissen wurde. Jevon, ihr Elfjähriger, platzte herein, strahlte übers ganze Gesicht.
»Hohe Brandung!«, verkündete er fröhlich.
Saul hielt die Doppeldeutigkeit mannhaft aus. »Ja?«
Isadora tauchte im Türrahmen auf, die sechsjährige Clara an der Hand. Sie warf ihrer Mutter einen schuldbewussten Blick zu. »Tut mir leid, ich konnte ihn nicht zurückhalten.«
»Schon okay, Liebes.« Emily klopfte auf das Bett, und Jevon landete mit einem Sprung neben ihr, immer noch strahlend.
»Können wir zum Strand gehen?«, fragte er atemlos. »Bitte, ich habe meine Zähne und alles fertig.«
»Wir müssen erst frühstücken«, sagte Saul. In diesem Moment erhaschte er
Weitere Kostenlose Bücher