Der unsichtbare Killer
sagte Marc-Anthony stolz. »Diese Wirkung hat es auf jeden. Protzig, aber dabei richtig schick, findest du nicht?«
»Hmm.« Jetzt, da er es ausgesprochen hatte, war sie sich nicht mehr sicher, was sie in ästhetischer Hinsicht von dem Herrenhaus halten sollte. Es wirkte so unpassend in dieser natürlichen Umgebung und war gleichzeitig so beeindruckend, dass es tatsächlich mit der beeindruckenden Landschaft mithalten konnte. Bartrams Architekt hatte sich für eine Pyramide mit einer abgeschnittenen Spitze entschieden, die einer urbanen, modernen Version eines Inka-Tempels ähnelte. Die Fassade bestand aus großen rhombischen Bereichen aus Glas, die jeweils eine andere Farbe trugen und von Balken aus mattschwarzem Metall eingerahmt waren. Breite horizontale Balkone zogen sich um das Gebäude, auf denen lange Bottiche mit Wüstenpflanzen standen.
»Warte nur, bis du es bei Nacht siehst, Süße«, sagte Marc-Anthony. »Dann leuchtet alles. Vom Wasser sieht das wie eine Miniaturausgabe von Vegas aus.«
Der Jaguar tauchte in einen Tunnel ein, der ihn zu einer hangarähnlichen Garage direkt unter dem Herrenhaus brachte. Alle dort parkenden Autos waren Jaguars, und alle das gleiche Modell: JX-7er, identisch, bis hin zur silbergrauen Farbe, mit dem, das Angela hierher gebracht hatte. Es musste fünfzehn von ihnen geben. Marc-Anthony zuckte mit den Schultern, als sie ihn verwirrt ansah. »Frag nicht.«
Als sie über eine geschwungene Treppe in das Hauptatrium mit dem schwarzweißen Marmorboden kamen, war die Luft dort deutlich kühler und trockener als draußen. Sonnenlicht strömte von der transparenten Spitze weit über ihnen nach unten und traf auf die Chromgeländer der Treppenabsätze, die sich zwischen hohen, geriffelten Säulen befanden. Zwei von Bartrams Freundinnen warteten dort auf breiten, lässigen Liegen, die dem Ganzen eher die Atmosphäre einer Hotellobby verliehen, als dass sie häuslich wirkten. Da war Olivia-Jay mit dunkler, schimmernder Haut und Gesichtszügen, die östlich-mediterran wirkten; breite Lippen, eine flache Nase und haselnussbraune Augen. Die üppigen Haare hingen ihr in kurzen Locken über die Schultern. Sie trug ein hauchdünnes, perlweißes Kleid und hatte ein kesses, einladendes Lächeln. Karah war weniger überschwänglich; sie wartete geduldig, während Olivia-Jay zu Angela sprang und sie fest umarmte. Ihre Zurückhaltung war interessant, wenn man bedachte, dass Karah vollständig nackt war. Angelas erster Eindruck war der einer rothaarigen Fitness-Fanatikerin, die die meisten professionellen Volleyballerinnen in den Schatten gestellt hätte.
»Willkommen im verruchten Gironella«, sagte Olivia-Jay, »der Überdosis am Meer.«
Karah gab ihr einen Kuss auf beide Wangen. »Ganz so schlimm ist es nicht«, sagte sie mit rauchiger Stimme. »Du wirst es schaffen.«
»Wir Freundinnen halten zusammen«, sagte Olivia-Jay. »Besonders, wenn Brinkelle da ist.«
»Benimm dich«, warnte Marc-Anthony mit gespieltem Ernst.
»Wer ist Brinkelle?«, fragte Angela, weil es das war, was eine naive Achtzehnjährige gefragt hätte. Es war seltsam, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass das Treffen mit den anderen Mädchen so hart sein würde. Sie hatte vorher überhaupt nicht an sie gedacht. Aber trotz ihrer Lebhaftigkeit fand sie, dass sie traurig wirkte. Tatsächlich fing sie an, wütend darauf zu werden, dass sie da waren. Wütend darauf, dass selbst in dieser Zeit alte Männer immer noch junge Mädchen begehrten und ausnutzten, wie sie es immer getan hatten, und dass es seit den römischen Zeiten keine gesellschaftlichen Veränderungen gegeben hatte, ja dass das Öffnen der neuen Welten tatsächlich ein Schritt zurück gewesen war, weil sich jetzt so vieles außerhalb der Reichweite wahrer Zivilisation und Verantwortlichkeit befand. Und die Norths führten die ganze Sache mit den Mädchen ins Extrem, wie sie alles ins Extrem führten; einfach, weil sie es konnten, weil sie sich über Exzesse definierten, weil das Nichtverantwortlichsein ihr Gott war.
Du hast das alles gewusst, bevor du hergekommen bist , sagte sie streng zu sich. Deshalb bist du hier. Komm schon, konzentrier dich, du kannst nichts für sie tun. Sie sind des Geldes wegen hier, genau wie du. Sie raffte ihre Selbstbeherrschung zusammen und lächelte ihre beiden neuen Freundinnen nervös an.
»Die Tochter«, sagte Karah. »Sie ist erst in den Zwanzigern und schon ein richtiges Miststück.«
»Mädchen, Mädchen.« Marc-Anthony
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