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Der unsichtbare Killer

Der unsichtbare Killer

Titel: Der unsichtbare Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Aber ich habe nicht viel Zeit in diesem Gebiet verbracht. Ich war hauptsächlich draußen im Herrenhaus.« Sie wusste, dass das nicht das war, was er wissen wollte, dass er auf der Suche nach etwas aus ihrem früheren Leben war. So verliebt, wie das süße Jüngelchen war, war es nur zu leicht gewesen, unmöglich hohe Erwartungen an diesen Abend in ihm zu wecken. Sie hatte deshalb fast ein schlechtes Gewissen. Und tatsächlich war es zwanzig Jahre her, seit …
    »Wie war es?«
    »Ich möchte nicht darüber sprechen.« Sie schob ein paar Haarsträhnen aus der Stirn, während sie aufs Meer starrte. »Tut mir leid, aber ich bin noch nicht so weit. Und du willst sicher nicht, dass ich wieder einen Anfall kriege. Nicht heute Abend.« Das Versprechen in ihrer Stimme war geradezu unanständig.
    »Sicher. Ich kann warten.«
    »Paresh, ich möchte dich was fragen. Was macht jemand, der so nett ist wie du, bei der HDA?«
    »Hey, wir sind die Guten. Wir verteidigen die menschliche Rasse gegen die Zanth.«
    Nein, das tut ihr nicht. Nicht richtig. Ihr verteidigt uns nicht. Ihr organisiert uns nur, wenn die Zanth schwärmen. Angela lächelte. »Jetzt muss ich mich entschuldigen.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte sich an ihn, gab ihm einen Kuss auf den Mund. Einen beiläufigen Kuss. Einen Kuss für einen Freund. Einen Kuss, der länger dauerte, als ein Freund vorgehabt haben würde. Einen Kuss, der mehr bedeutete, und sie daher überraschte. Er konnte es in ihren Augen sehen, als sie sich schließlich voneinander lösten. Der Blick verriet, wie dieser Abend enden würde, und dass sie damit ziemlich zufrieden war.

Donnerstag, 7. Februar 2143
    Bei Morgenanbruch kroch dünner Nebel über das Meer heran und mäanderte zwischen den Dünen im hinteren Bereich von Camilo Beach herum. Saul sah zu, wie er sich aus dem Halbdunkel materialisierte, das auf St Libra als Nacht durchging, zuerst vom fahlen Ringlicht erhellt, dann vom Dunst am frühmorgendlichen Horizont. Er saß auf der Veranda vor der Küche auf einem Stuhl, trug einen dicken, weißen Cricket-Sweater, den er seit acht Jahren besaß, lange, ausgeleierte zyangrüne Shorts mit herabhängenden Seitentaschen und uralte Sportschuhe. Seine Augen waren gerötet, und er befürchtete, dass jemand sie sehen und ihn fragen könnte, warum er geweint hatte. In zwei Stunden würde seine Familie aufstehen, und Emily würde begreifen, dass er die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Zwei Stunden, in denen er sich zusammenreißen und seine aufgewühlten Emotionen unter Kontrolle bringen musste. In denen er die Bitterkeit und den Hass auf all das beiseiteschieben musste, was das Schicksal ihm zugemutet hatte.
    Die kraftlosen Wellen von St Libra sorgten für ein beständiges Rauschen, das über den leeren Sand lief, wenn kleine Wellen ausrollten, umkehrten und das Wasser erneut zurückbrachten. Als er so auf das graue Wasser mit der weißen Gischt hinausstarrte, kam ihm ein Gedanke. Wie leicht würde es sein, sein Boot dorthin zu bringen, sich in der behaglichen Wärme des Meeres niederzulassen und anzufangen zu paddeln. Immer weiter hinaus zu paddeln, mit Kurs auf Ambrose, oder vielleicht auf Dry Isle in der Landezone. All das hier hinter sich zu lassen. Er war überzeugt, dass die Anspannung und der Schock ihn genauso sicher töten würden, als würde er sich in seinem geliebten Ozean ertränken. Da wäre die See die sauberere Lösung.
    Er schloss die Augen, um die Welt so weit wie möglich von sich fernzuhalten, und sein Atem kam stoßweise. Natürlich konnte er es nicht tun. Im Nichts konnte er die Gesichter seiner geliebten Familie sehen; verzweifelte Gesichter, während die Tage sich dahinzogen und die Suchaktionen abgeblasen wurden. Wie verloren würden seine Kinder ohne ihn sein, wie einfach würde Emily daran zerbrechen. Nie würden sie einen Grund erfahren, es niemals verstehen. Die traurige Fassungslosigkeit würde sie ihr Leben lang begleiten und ihnen Angst bereiten.
    Als Ehemann und Vater trug er Verantwortung. Es war nicht so, dass sie nicht überleben konnten, was geschehen würde, er wollte nur einfach nicht, dass es überhaupt geschah. Dass es ihnen geschah. Camilo Beach, Emily, die Kinder, dieses ganze angenehm gemächliche Leben: Es war seine zweite Chance. Der wunderschöne Beweis, dass er schließlich vorangekommen war und die schreckliche Vergangenheit hinter sich gelassen hatte.
    Aber man konnte die Vergangenheit nie hinter sich lassen. Nicht richtig.

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