Der unsichtbare Killer
umbringen, denn wenn Sie tot sind, können Sie nicht mehr leiden.«
»Leck mich am Arsch, Mann.«
»Wir zahlen den Preis, auf den wir uns geeinigt hatten. Sie werden wegen der Übergabe kontaktiert werden. Ich rate Ihnen, sich an die Anweisungen zu halten.«
Als Jede das nächste Mal seine Nebenkonto-E-I benutzte, befand er sich in einem Pub in der Granger Street. Ian erlangte Zugriff auf das Protokoll des örtlichen Cell-Logs und ließ einen Vergleich mit den Berichten aus der Percy Street laufen. Es gab einen Zugangscode, der in beiden Fällen auftauchte. Damit hatten sie Jedes Nebenkonto (oder zumindest eines davon). Der Abhörbefehl wurde mithilfe von Elstons Befugnissen in die Transnet-Management-KI geladen, und alle Anrufe, die Jede danach tätigte, wurden durch das Market-Street-Netzwerk geführt, von dem aus sie in den geheimen Teilbereich der Ermittlungen geleitet wurden – direkt auf die Apple-Konsole in Ians Wohnung. Die KI fing nicht nur den Datenverkehr zu und von Jedes Nebenkonto ab, sondern auch die ein- und ausgehenden Anrufe, die Jede mit anderen Transnet-Adresscodes geführt hatte.
»Sonntagabend. Am üblichen Ort.«
»Sie kriegen es erst, wenn das Geld auf meinem Nebenkonto eingegangen ist.«
»Vergessen Sie nicht, mit wem Sie es hier zu tun haben. Sie kriegen gar nichts, solange wir es nicht
überprüft haben. Und, Junge, wir haben einen Experten.«
»Es ist gut. Es ist echt, okay.«
»Es ist alles okay, denn ich muss mir um nichts Sorgen machen. Morgen elf Uhr. Und geben Sie uns keine Veranlassung, nach Ihnen zu suchen.«
Zehn Uhr fünfundfünfzig am Sonntagabend: Wie schon seit zwei Tagen, wehte ein kühler Regen heftig von der Nordsee heran. Unter der Sintflut schmolzen Eis und Schnee allmählich, die sich im Laufe des Winters auf den Gebäuden und Straßen von Newcastle angesammelt hatten. Überall in der Stadt strömte eiskaltes Wasser aus übervollen Rinnsteinen auf die Bürgersteige. Fahren und Gehen wurde extrem heimtückisch, als das Wasser über das Eis floss. Die Unfall- und Notfall-Abteilungen sämtlicher Krankenhäuser in der Stadt berichteten von fünf Stunden Wartezeit für Knochenbrüche – so viele Menschen waren ausgerutscht, als ihre vertrauten Wege nicht mehr kalt, sondern flüssig geworden waren. Und mitten in dem ganzen nassen subarktischen Elend saß Sid in einem Auto, das aus dem Fuhrpark der Polizei ausgemustert worden war und das er privat zugelassen hatte, damit kein Passant, der auf die Idee kommen sollte, heimtückisch die Lizenz überprüfen zu lassen, erkennen würde, dass Strafverfolgungsbeamte darin saßen. Er parkte an der Ecke von Beechwood Gardens, gleich vor Last Mile, und wartete auf die Übergabe. Was immer da übergeben werden würde. Es war in keinem der abgehörten Gespräche erwähnt worden, in denen Jede und sein unbekannter Lieferant Sätze benutzt hatten, die sie bestimmt aus billigen Krimis geklaut hatten. Ian und Eva hockten ebenfalls in einem Auto der Polizeiflotte, aber auf der Herford Road am südlichen Ende von Last Mile. »Chef, ich glaube, es geht los«, sagte Eva. »Ruckbys Auto ist gerade in den Kingsway eingebogen.« Auf Sids Windschutzscheiben-Display war das ungleichmäßige Raster der Straßen von Last Mile zu sehen, und auch etliche dunkle Gebiete, wo die Makromeshes versagten. Ein purpurnes Symbol tauchte am südlichen Ende des Kingsway auf, der mitten durch das Zentrum von Last Mile führte. »Hab ihn«, bestätigte Sid. »Ist jemand bei ihm?« Ruckby fuhr eine große Ford-Turusse-Limousine, die auf eine nordkoreanische Geschäftsadresse zugelassen war – mattschwarze Lackierung, aber nur zu leicht zu sehen. »Kann ich nicht sagen, aber er wird wohl nicht allein sein. Wir hängen uns jetzt dran.«
Sid lenkte das Auto von der Bordsteinkante weg. Er bog auf der Höhe des Gateways nach Last Mile ein und begann, durch das grelle Neonleuchten und die im Dunst glitzernden Hologramme hindurchzufahren, die die gesamte Strecke des Kingsway hinweg in der Luft hingen. Da sich die Werbung auch noch auf der regennassen Fahrbahn spiegelte, war es, als würde er durch einen sich schlängelnden Lichttunnel fahren. Selbst zu dieser späten Stunde herrschte noch viel Verkehr. Große HDA-Lastwagen mit Ausrüstungsgegenständen und Vorräten für die Expedition rumpelten treu und brav auf das Gateway zu, auch wenn es jetzt nicht mehr ganz so viele waren. Firmen-Lastwagen mit ihren ikonischen Logos schmiegten sich an die Verladerampen der
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