Der unsichtbare Killer
Geschäfte. Jahrzehntealte Lieferwagen mit zerkratzter und eingebeulter Karosserie drehten ihre nächtlichen Runden, um die kleinen Läden und Outlets mit Nachschub zu versorgen. Roller mit Gepäcktaschen, die groß genug waren, um eine Leiche zu transportieren. Sogar Fahrräder mit Anhängern. Ein großer glänzender neuer sechsrädriger Toyota-J-Cruise, in dem sich Waren für den Überlebenskampf auf St Libra stapelten, steuerte das Gateway an.
Sid war leicht überrascht, als er sah, dass die Migranten ihren Traum trotz der Expedition nicht aufgegeben hatten, was ihn daran erinnerte, dass jenseits von Newcastle und seiner Ermittlungen die große Gemeinschaft der Transstellar-Welten und die Nationen so weitermachten wie bisher. Er sah eine kleine Gruppe dieser armseligen Kerle, die sich die Straße entlangschleppten; sie schleppten alte Einkaufswagen mit sich, in die sie ihr Hab und Gut gepackt hatten, und zogen die Schultern gegen den eiskalten Regen hoch. Ihre Mäntel waren nass und schlüpfrig vom Wasser, während sie sich dem Gateway und der mit ihnen versprochenen Unabhängigkeit auf der anderen Seite näherten. Ein schneller Check des Windschutzscheiben-Displays verriet Sid, dass das purpurne Symbol näher rückte. Als er den Blick auf die Straße richtete, sah er Ruckbys großen, dunklen Turusse direkt vor ihm abbiegen.
»Ich habe jetzt Sichtkontakt«, berichtete Sid. »Er ist in die Sixth Avenue eingebogen.«
»Okay, Chef«, erwiderte Ian. »Das Makromesh hat ihn auch schon. Wir biegen in die Eighth Avenue ab. Wenn wir an der Kreuzung mit dem Dukesway parken, werden wir ihn sehen, wenn er wieder rauskommt.«
»Ich wende am Ende vom Queensway und warte dort.« Während er das sagte, sah Sid einen dunkelroten Kovoshu Valta an sich vorbeifahren; an seiner Flanke glitzerten und wanden sich Streifen aus Hologrammprismen. Der Fahrer des großen Rockstar-Autos, dessen massives Profil von der prächtigen Fassade eines Bauernladens erleuchtet wurde, dessen Lichter wiederum auf einen Kamelpferch hinunterschienen, war Boz. Und er starrte direkt auf Sids Auto.
»Scheiße, Scheiße.«
»Was ist los?«, fragte Eva.
»Ich glaube, ich bin gerade von Boz entdeckt worden.«
»Ah, Scheiße auch, Mann«, sagte Ian. »Das Makromesh hat Ruckby gerade verloren.« Sid sah, dass das purpurne Symbol vom Display der Windschutzscheibe verschwunden war. »Scheiße, Boz hat ihn gewarnt.«
»Weiß ich nicht, Mann, das Makromesh ist hier in der Gegend schwer beschädigt. Wir fahren zum Dukesway und versuchen, Sichtkontakt zu kriegen.«
»Gut. Ich wende«, sagte Sid. Er wies seine E-I an, die funktionierenden Segmente des Makromeshs an der Sixth Avenue zu überprüfen, um zu sehen, ob Ruckby die Zulassungsdaten des Turusse ausgetauscht hatte, damit er einer Überwachung entging. Es waren keine Fahrzeuge registriert. »Ruckby muss abgebogen sein.«
»Ja, das denken wir auch«, antwortete Eva.
»Okay, Boz wird jetzt Ausschau nach mir halten; ihr beiden fahrt die Sixth Avenue entlang.«
»Bin gerade eingebogen«, meldete sich Ian.
Sid musterte das Straßennetz von Last Mile, um herauszufinden, was er als Nächstes tun sollte. Jede anständige, rechtmäßige Überwachungsoperation hätte Reserve-Fahrzeuge gehabt; ein Team von fünfzehn Detectives, kompletten Smartdust-Schutz, sogar ein paar kleine fliegende Mikrodrohnen, die den Verdächtigen hätten verfolgen können. Dieser schnell hingerotzte Einsatz grenzte an eine Farce. Er lenkte das Auto abrupt in die Eighth Avenue, was ein ziemlich anspruchsvoller Name für eine lange Lücke zwischen nackten, hoch aufragenden CFK-Wänden aus umgestalteten Geschäftsgebäuden war. Die photonische Flut aus Werbung war hier gedämpft und auf ein paar flackernde Symbole hinter vergitterten Fenstern verringert. Über ihm verströmten Fotopanels ein dunstiges grünstichiges Licht, das den monotonen Regen beleuchtete. Verstopfte Gullys hatten zu einer Überschwemmung beider Rinnsteine geführt, und das Wasser breitete sich immer weiter aus und bedeckte inzwischen auch den aufgerissenen Asphalt. Die Autoreifen erzeugten einen kleinen, schmutzigen Sog, als er vorsichtig weiterfuhr. Eisbrocken wurden aufgewirbelt und tanzten herum.
»Überrascht mich nicht, dass das Makromesh hier nichts finden kann«, murmelte er. Angesichts dieser Art klimatischer Misshandlung musste der Smartdust sich schon lange zersetzt und schließlich versagt haben. Er bog erneut ab, fuhr jetzt den Princesway South entlang.
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