Der unsichtbare Killer
er nicht weggerutscht war.
»Hab dich«, sagte sie. »Ist das eine Thermaltasche?«
»Ja«, sagte Ravi. »Der einzige Grund, warum ich noch am Leben bin.«
»Okay. Ich habe eine Miniwinde bei mir. Du musst sie an deinem Gürtel befestigen. Schaffst du das?«
»Ja. Ich versuche es. Danke, Angela.«
Sie benutzte die sich selbst verankernden Eishaken, um die kleine Winde auf dem steinharten Eis sicher zu befestigen. Das Band entrollte sich, und Angela lenkte es nach unten. Dem Seilhaken dabei zuzusehen, wie er sich drehte und im Wind schwankte, war, als würde sie auf eine bizarre Art und Weise angeln. Jedes Mal, wenn sie den Arm bewegte, um den Seilhaken neben Ravi abzulegen, tanzte er weg. Und Ravi schien nicht in der Lage zu sein, seinen Arm mehr als ein kleines bisschen bewegen zu können. Sie hatte das beunruhigende Gefühl, dass sie möglicherweise hinunterklettern und ihm helfen musste.
»Hab ihn«, sagte Ravi.
Die Miniwinde surrte reibungslos und zog Ravi an der welligen Mauer mit den scharfen Vorsprüngen hoch. Ein paarmal stieß er dagegen, und Angela zuckte zusammen. Dann hatte er den oberen Rand erreicht, und sie und Rebka packten ihn und zogen ihn auf den Fluss.
»Verdammt nochmal, Ravi«, rief Angela. Er hatte die dünne, silbrige Überlebenstasche bis zur Taille nach unten gezogen, damit er das Band an seinem Gürtel befestigen konnte. Im pinkfarbenen Licht von Sirius wirkte sein Parka beinahe schwarz, so blutgetränkt war er. Die Ärmel waren zerfetzt, und sie konnte darunter blauen Hautversiegelungsschaum sehen, den er sich auf seine Wunden gesprüht hatte. Er zitterte heftig, auch wenn sie vermutete, dass das nicht nur von der Kälte herrührte. Seine blutunterlaufenen Augen öffneten sich, und er lächelte Angela freundlich an. »Danke.«
»Packen wir ihn wieder in die Tasche«, sagte Rebka. »Wir müssen ihn zum Doc schaffen.«
»Angela?«, fragte Ravi schwach. »Wer ist das?«
»Alles in Ordnung, ich bin es nur«, sagte Angela. Sie beeilte sich, die Tasche wieder bis zu Ravis Kragen zu ziehen, und richtete auch die Kapuze seines Parkas. »Du musst verschwinden, bevor wir zum Konvoi kommen«, sagte sie leise zu Rebka. »Ich will nicht erklären müssen, was du hier draußen zu suchen hast.«
»Okay.«
»Aber gib um Himmels willen auf das Monster acht.«
Sie packten Ravi unter den Schultern und begannen, ihn Richtung Konvoi zu ziehen. Er stöhnte vor Schmerz und verlor rasch wieder das Bewusstsein.
»Also, wieso bist du allein hier rausgegangen?«, fragte Rebka.
»Ravi hat mich darum gebeten. Er hat gesagt, er traue niemandem außer mir. Ich bin die Einzige, die eine Begegnung mit dem Monster schon einmal überlebt hat.«
»Ah. Darüber möchte ich definitiv mehr hören.«
»Das wirst du auch. Später.«
Als sie nur noch fünfzig Meter von dem Kreis aus Fahrzeugen entfernt waren, umarmte Angela ihre Tochter noch einmal viel zu kurz. Dann verwandelte sich Rebkas Kleidung wieder in eine Rüstung. Angela sah dem Mädchen nach, als es sich im heftig fallenden Schnee entfernte; sie fühlte sich auf eine Weise beschwingt, zu der sie angesichts der Tatsache, mit was sie immer noch zu kämpfen hatten, kein Recht hatte. Aber … ihre Tochter lebte und wusste, wer ihre Mutter war. Das Gefühl der Erleichterung war phänomenal.
Sie schleppte Ravi wieder weiter. Er hatte seinen Bodymesh abgeschaltet, daher fand sie keinen Zugang zu seinen medizinischen Überwachungs-Smartcells, aber sie brauchte auch nicht unbedingt ein Koordinatennetz, um zu wissen, wie schlecht sein Zustand war.
Als ihr Orientierungsmodul sie bis auf dreißig Meter an die Fahrzeuge herangeführt hatte, verband sie sich mit dem Netz. Ihre E-I schaltete ihre Cache-Identität ab und rief dann Elston. Eine letzte Anweisung löschte das Begrenzungsprogramm in dem fernbedienbaren MG auf dem Tropic-2.
»Was tun Sie da? Wie sind Sie aus dem Kreis der Fahrzeuge rausgekommen?«, fragte Elston.
»Ich bringe Ravi rein«, erwiderte Angela und lächelte über den Ärger, der in ihm aufsteigen würde, wie sie wusste. »Er ist schwer verletzt. Alarmieren Sie den Doc.«
»Ravi?«
»Ja. Er lebt. Noch. Helfen Sie mir jetzt oder wollen Sie da sitzen bleiben und rumschreien?«
Vance Elston hatte persönlich Sergeant Raddon und Leora Fawkes über den Ring hinaus geführt, den die Fahrzeuge bildeten. Tatsächlich stießen sie auf Angela, die Ravi Hendrik in einer Thermo-Überlebenstasche hinter sich herzog.
Selbst Doktor Coniff hatte
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