Der unsichtbare Killer
weggelaufen? Beschreiben Sie den Außerirdischen detaillierter. Haben Sie mit eigenen Augen gesehen, wie er die anderen umgebracht hat?
Haben Sie sie getötet?
Besitzen Sie einen Handschuh aus Klingen?
Haben Sie Bartram North gehasst?
Hat er Ihnen Schaden zugefügt?
Waren Ihnen die sexuellen Handlungen, die er von Ihnen verlangte, zuwider?
Warum sollte ein Außerirdischer all diese Leute töten?
Nachdem sie die Sensoren und Elektroden entfernt und sie losgeschnallt hatten, brachten sie sie wieder in ihre Zelle zurück, gaben ihr ein Tablett mit Essen, ein in Plastik verpacktes sauberes T-Shirt, Unterwäsche und Hosen, Seife, Zahnpasta und Zahnbürste, ein Handtuch – und schlossen die Tür. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, bevor sich die Tür wieder aufschob; sie hatte auf der Pritsche geschlafen. Der Wachposten stellte ihr eine frische Mahlzeit hin und sagte: »Sie haben eine halbe Stunde.«
Er hatte nicht gelogen. Eine halbe Stunde später befand sie sich wieder in dem Verhörraum und durfte sich wieder von dem perversen Techniker begrapschen lassen. Sung und Elston kamen herein.
»Ich würde gern noch mal Ihre gestrige Aussage durchgehen«, sagte Sung.
Angela ächzte resignierend und ließ die Schultern sinken.
In diesem Stil dauerte die Befragung fünf Tage lang so gut wie pausenlos an. Jede Einzelheit, an die sie sich erinnern konnte, jede Nebensächlichkeit wurde in Zweifel gezogen, während sie sich den Hergang des Ereignisses noch mal und noch mal von ihr schildern ließen. Und jedes Mal suchten sie nach irgendwelchen Widersprüchen, piesackten sie mit der allergeringsten Abweichung, spotteten, brüllten, versuchten auf verständnisvoll zu machen.
Am sechsten Tag wurde Angela endlich in den dritten Raum gebracht. Der war wesentlich größer als die anderen. Aber schließlich musste er ja auch Platz für eine Maschine von den Ausmaßen einer Limousine bieten. Als sie das Ding zum ersten Mal sah, hielt sie es für einen medizinischen Ganzkörper-Magnetresonanzscanner. Womit sie gar nicht einmal so weit danebenlag. An diesem Tag kam es jedoch nicht zum Einsatz, und auch nicht die nächsten paar Tage danach. Stattdessen wurde sie mit nur einem Handtuch als Unterlage auf eine Metalltrage geschnallt. Am ersten Tag weigerte sie sich und wehrte sich mit Händen und Füßen. Drei Wachen waren nötig, um sie niederzudrücken, während der sattsam bekannte Techniker die Gurte fest schloss.
»Was tut ihr da, ihr Scheißwichser?«, schrie sie ihre Peiniger an. Doch alles Schimpfen und Fluchen nützte nichts, schien den Männern völlig am Arsch vorbeizugehen. Und so wurden ihr wie zuvor Sensorpads und die Armmanschette zur Kontrolle des Blutdrucks angelegt. Das Einzige, was fehlte, war die Kamera, die ihre Augen unter Beobachtung hielt.
Dann rollte der Techniker einen Infusionsständer herein.
»Nein«, brüllte sie. »Nein, nein, nein. Das könnt ihr nicht machen.«
»Tut mir leid, aber das können wir sehr wohl«, sagte Major Sung. Er nickte, und der Techniker stach eine Nadel in die Vene auf ihrem Handrücken.
Es dauerte einen Augenblick, bis die Wirkung dessen einsetzte, was immer sie da auch benutzten. Im Raum kehrte Ruhe ein, dann wurde ihr heiß. Die Wände begannen sich zu bewegen – als ob sie atmeten. Stimmen, die klangen wie Orchester. Eindringliche Stimmen. Drohend und groß tauchte der Techniker über ihr auf und justierte die Flüssigkeitszufuhr, damit die genau richtig für sie war, wie er erklärte. Und die Stimmen hoben an. Begannen zu sprechen. Tiefgründige Gedanken darüber, wie das Universum funktionierte. Warum Farben so bedeutsam waren. Warum Marj ihr so viel Trost gegeben hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Sie konnte sich an Marj erinnern, also war das real, wahrhaftig. Marj, ach süße Marj. Wie sie ihre Mutter vermisste, die, falls sie es nicht wussten, Französin war, am Rande bemerkt. Oh, wie sie ihre Mutter liebte. Und wie sie den Außerirdischen hasste. Den Außerirdischen, der einen dunklen Schatten auf ihre Erinnerungen warf, hervorbrechend aus den schönsten Bildern ihres Lebens.
Die Trage drehte sich wie ein Karussell. Sie erbrach sich.
Angela erfuhr nie, wie lange diese Verhörphase gedauert hatte. Jedenfalls Tage. Auch zwischen den Sitzungen war sie völlig benebelt. Oft bekam sie Milchmixgetränke mit Proteinen eingeflößt oder warme Suppen, die ihr jemand geduldig löffelweise zwischen die tauben Lippen träufelte. Ihr Schluckreflex war
Weitere Kostenlose Bücher