Der unsichtbare Killer
sparen würde. Sogar Sid hatte mitgeholfen und hatte mit seinen etwas eingerosteten Programmierfähigkeiten der KI die geographischen Koordinaten definiert. Dedra und Reannha hatten den Datenfluss des Stadtplanungsamts kontrolliert und eine graphische Skizze von Newcastles Straßen- und Gebäudeplan erstellt, auf die die KI die Netzdaten und die der Fahrzeuglogs projizieren würde. Sofern es zu keiner größeren Panne kam, sollte die virtuelle Reproduktion bis morgen Mittag stehen und funktionieren.
Um sieben hatte Sid alle Mitarbeiter außer Reannha, die die KI bei der Übersetzung der Ergebnisse überwachte, nach Hause geschickt. Deren Ablösung würde um Mitternacht übernehmen. Nachdem er den letzten Stoß Daten von der Spurensicherung durchgesehen hatte, um sich zu vergewissern, dass diese keine weiteren Enthüllungen enthielten, hatte er Reannha Gute Nacht gesagt und sich vom Acker gemacht. Selbst Ralph Stevens war zurück in sein Hotel gegangen, in welchem auch immer er zu nächtigen pflegte.
Er bog in die Falconar Street ein und parkte nicht weit von deren unterem Ende. Eine ganze Seite wurde von einer einzigen Reihe von zweistöckigen dunkelbraunen Backsteinhäusern mit steinernen und angemalten Fenstersprossen eingenommen. Die Idealvorstellung eines Maklers von einem Mittelklassetraum. Natürlich wurde die Häuserreihe tadellos in Ordnung gehalten, mit kleinen schmucken Vorgärten hinter einer niedrigen Mauer, die jetzt alle unter Schneemassen versanken, in deren Wellen an den Vordertüren endende Wege freigelegt waren. Sid konnte sich nicht mehr genau erinnern, in welchem der Häuser Ian wohnte; also ging er die Straße entlang und war’s zufrieden, dass seine E-I ihn führte. Nicht lange, und in seinem Rasterfeld blinzelten ihm emsig blaurote und gelbe Graphiken zu: Ian hatte die obere Etage eines Hauses auf etwa halber Höhe der Straße gemietet. Das Türschloss leuchtete grün auf, als Sids E-I eine Annäherungserlaubnis erbat.
Es gab drei Räume: gleich wenn man reinkam ein Wohnzimmer von ordentlicher Größe und mit integrierter Kochnische, ein Schlafzimmer, das genauso groß war, sowie eine kompakte Nasszelle, in der jedes Regal und jedes Schränkchenfach mit Körperpflegeprodukten für Männer vollgestopft war. Ian hatte sich die Wohnung ausschließlich wegen ihrer Lage genommen. Sie befand sich nah genug an der Market-Street-Wache, dass er im Sommer zu Fuß zur Arbeit gehen konnte, und grenzte gleichermaßen an die Gegend mit den wichtigsten Clubs und Pubs der Stadt. Ian wohnte seit zwei Jahren in der Wohnung, und das einzige Möbelstück, das er in dieser Zeit gekauft hatte, war ein Bett. »Mehr benutz ich sowieso nicht«, wie er sagte.
Eva war bereits dort, als Sid eintraf. Sie weigerte sich prinzipiell, sich auf das Bett zu setzen, womit sie ihre Missbilligung der wöchentlichen Parade von Mädchen zum Ausdruck brachte, die Ian in sein Liebesnest abschleppte. Stattdessen hatte sie sich ein Kissen geschnappt und saß nun, den Rücken gegen die Wand gelehnt, im Wohnzimmer. Ian hatte die Marmorplatte auf der Frühstücksbar der Kochecke okkupiert.
»Bier?«, fragte er, als Sid hereinkam.
»Aber immer.«
Ian nahm eines aus dem kleinen Kühlschrank. Sid konnte darin nur Flaschen erkennen; zweifellos kühlte das Gerät keine nichtflüssige Nahrung.
Die Wohnung besaß keine Einbaugarderobe, also hängte Ian Sids Sachen über einen langen Metallkleiderständer, den er in einem An-und-Verkauf-Laden abgestaubt hatte. Sid setzte sich daneben auf den Boden und nahm einen Schluck aus seiner Flasche. »Wenn wir uns im Pub träfen, könnten uns die Geflechte mit der richtigen Software von den Lippen ablesen«, erklärte er die Umstände ihres Treffens.
»Kein Ding, Boss«, erwiderte Eva. »Wen legen wir um?«
»Wir retten unsere Karrieren.«
»Ach hör auf, Mann«, sagte Ian. »Denkst du, wir kriegen den Fall nicht gelöst? Wir erstellen die virtuelle Reproduktion einer Stadt, Himmelherrgottnochmal. Einer Stadt! Wir haben ein unbegrenztes Budget, ein echtes. Sicher, es schauen uns ein paar Arschlöcher über die Schulter, aber sie kommen uns nicht in die Quere. Das hier ist die Chance unseres Lebens, Mann. Wir können den Fall aufklären. Das wird riesig.«
Sid war überrascht von der Leidenschaft in der Stimme seines Stellvertreters. Seit wann war Ian ein Karrierist? »Ihn aufklären? Wirklich? Das Ergebnis, das wir ihnen liefern sollen, ist ein Alien mit Klingen als Finger. Genau das hätte die
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