Der unsichtbare Kreis
feststellen.«
Bond packte ihn bei den Schultern. »Angenommen, es gibt sie wirklich, diese Außerirdischen?«
Unwillig befreite sich Cassini, wandte sich ab, trommelte mit den Fingern. Seine Stimme schaffte sachliche Distanz, belegte, erläuterte, und Bond konnte nicht umhin, bei jedem seiner Argumente zu nicken. Doch je mehr Cassini recht zu haben schien, desto drängender erwachte in ihm der Wunsch, die eigenen Gedanken auszusprechen, selber auf die Gefahr hin, ein Phantast zu sein. Er haspelte seine Rede schnell herunter.
»Die Fremden haben das für sie einzig Logische getan. Sie haben ihre Gegner unschädlich gemacht, ohne sie zu töten. Sie haben sie aus dem Raum und aus der Zeit, wo sie ihnen gefährlich werden konnten, entfernt, haben sich dann in Ruhe umgesehen, alles untersucht und sind wieder abgeflogen. Um nicht eine Ladung von hinten zu bekommen, ließen sie sie, wo sie waren, in der Hoffnung, daß die irdischen Kontrollstationen sie entdecken würden. Sie bauten einen hohen Sicherheitskoeffizienten ein: Nach zweihundertzwanzig Jahren ist für die Eingeschlossenen nicht mehr Zeit vergangen als zwei Tage. Nun haben sie noch für zwei Stunden Sauerstoff dort drüben.« Seine Geste umriß ein vages Woanders, verendete in Hoffnungslosigkeit.
Cassinis Zügen war keine Regung anzumerken. Er schien in Gedanken versunken zu sein. Als Bond verstummte, lächelte er gutmütig.
»Eine hinreißende Konstruktion, eine spannende Geschichte. Aber wir müssen uns auf die Tatsachen besinnen.«
So glaub mir, wollte Bond rufen. Doch er sah ein, daß das eine nicht zumutbare Forderung sein würde. Sie kannten sich ja kaum, sie hatten die Brücke nicht geschlagen. Er verfluchte den Auftrag, der sich zwischen sie drängte. Doch wo begann ihr eigenes Versagen?
Seine Arme sanken nach unten, zogen die Schultern nach vorn. Er wirkte entleert. Die Umstände zwangen ihn, sich einzugestehen, er hatte sich verrannt. Cassinis Theorie war einfacher und realer. Nach einer Weile des Schweigens äußerte er: »Was soll ich tun?« forschte mißtrauisch in Cassinis Zügen nach einem Ausdruck der Genugtuung.
Sachlich ernst sagte Cassini: »Nimm das Gerät. Ich führe dich, bis wir im Raumschiff sind.« Es schien ihn Überwindung zu kosten, Bond anzusehen. Mit einer ungelenken Bewegung wandte er sich ab.
»Du bringst sie um«, sagte Bond tonlos. »Weißt du, für welches Aggregat der Reaktor Energie liefert?« Ehe Cassini antworten konnte, fuhr er fort: »Dafür.« Er zeigte auf die Schildkröte. »Drahtlos.«
»Was findest du daran so aufregend?« fragte Cassini.
»Wir wissen nicht, wie groß seine Reichweite ist. Wenn das Gerät draußen die Arbeit einstellt und sie tatsächlich… Unvorbereitet wäre es… Sie kämen um…« Er keuchte. »Stell dir vor, sie hocken in einer Seifenblase, die an dieses Ding gebunden ist. Verändern wir seinen Standort, schleppt es die Blase vermutlich hinter sich her. Bricht aber die Energiezufuhr ab, platzt sie wie ein angestochener Ballon. Im freien Raum wäre das ihr Tod.« Er stockte unvermittelt, sah Cassini ins Gesicht. Dann lächelte er schüchtern. »Ich bin ein Narr. Verstehst du, der Einfall läßt mich nicht los.«
»Sicher«, sagte Cassini. »Ich kenne das. An einem bestimmten Punkt kann man nicht mehr zurück. Man läuft Gefahr, sich in eine Wahnvorstellung zu verlieren. Ich bin für dich verantwortlich.« Und mit ungewohnter Wärme: »Laß uns nun gehen. Alles andere ist Unsinn.«
Wie ein Traumwandler schritt Bond zum Tisch, ergriff das Halbei. Augenblicklich versank die Zentrale im grauen Dunst, und er befand sich in einem Zustand zwischen Traum und Illusion. Er merkte nichts davon, wie Cassini seinen Arm ergriff und ihn den Gang entlang zur Schleuse führte. Wie im Dialog mit unsichtbaren Partnern, bewegte er hastig die Lippen. Seine verkrampften Züge entspannten sich, wirkten gelöst wie bei geistiger Abwesenheit. Schließlich lächelte er, als hätte er alle Sorgen und Bedrängnisse bewältigt.
Cassini tastete sich eilig den Gang entlang. Hinter ihnen her, Bonds Körper und alle Wände mühelos durchdringend, zog sich ein flimmernder, fast unsichtbarer Faden. Sein Anfang verlor sich in dem Gerät, sein Ende im Transformator des Nuklearblocks.
Cassini schloß ihre Helmvisiere. Augenblicke später schob sich das Außenschott zurück. Er führte Bond durch die unwirtliche Leere des Jupitermondes. Es war dunkler als bei ihrer Ankunft, der Riesenplanet war unter dem Horizont versunken. Wie ein
Weitere Kostenlose Bücher