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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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saß? Kein Zufall! Also, was bewunderte er an ihm? Was unterschied ihn von Bailey? Sie hatten denselben Spaß gehabt, vielleicht sogar dieselben Mädchen. Solch ein Schiff zu organisieren: kein Problem! Aber er würde es nicht tun. Aha, das war’s: Bailey brauchte Publikum. Sie nahmen dankbar alles an, applaudierten. Aber er lächelte über sie: Er hatte sie abgerichtet. Sie reagierten mechanisch. Puppen und Puppenspieler. Keine Frage, wer den Spaß hatte, den wirklichen. Bailey war frei.
    Katten fühlte, daß er es nicht war, er fühlte sich bedrängt, von sich selbst, von seinen Bindungen. Die scheinbare Alternative beunruhigte ihn. Es mußte da einen Ausweg geben. Einen Ausweg? Er hatte ein höhnisches Lachen im Ohr. Ausweg – woraus? Bailey war unterhaltsam, je nun, ein wenig unterkühlt. Das waren sie mehr oder weniger alle. Bailey lieferte Spaß. Was wollte man mehr? Hinter die Kulissen schauen? Wen interessierte schon der doppelte Boden. Hauptsache, der Effekt: Kaninchen im Zylinder.
    Wenn sich ihre Blicke einmal begegneten, nahm Katten in Baileys Augen eine wölfische Wachsamkeit wahr. Trotzdem, auf beiden Seiten war eine gewisse Sympathie. Doch achteten sie darauf, eine bestimmte Distanz nicht zu unterschreiten.
    Katten ahnte, daß sich hinter Baileys freundlicher Fassade schroffe Härte verbarg. Vielleicht war Bailey ein Genie. Die Hoffnung öffnete den Kreis rotierender Gedanken.
    Bis zu dem Moment, in dem Lare auftauchte, hatte sich Katten die Zeit mit anderen Mädchen vertrieben. Die meisten waren nett, intelligent, hübsch. Mitunter war das Gespräch auf Bailey gekommen. Aber er interessierte sie nur soweit, als seine Person mit den Tatsachen verbunden blieb. Gingen die Fragen darüber hinaus, erlosch ihr Interesse. Sie lächelten und wandten sich wieder allgemeinen Dingen zu. Manchmal kam überhaupt kein Gespräch in Gang. Das mochte an der Kürze der Begegnungen liegen. Warum hatte er mit Lare nicht über Bailey geredet, und warum fiel es ihm erst jetzt auf? Es war nicht die Zeit. Sie hatten überhaupt nicht viel miteinander gesprochen. Doch es war kein mühsames Schweigen zwischen ihnen gewesen.
    Katten erhob sich, tastete sich durch den halbdunklen Raum. Vom All trennte ihn nur die dünne Hülle kaum sichtbarer Energie. Unter seinen Füßen vibrierte sanft der Boden. Der Kreisel raste auf den Asteroidengürtel zu, in wenigen Stunden würden sie die Marsbahn passieren. Kattens Blick fiel in die Unendlichkeit, suchte Halt, kehrte zurück, traf Lare.
    Sie lag fast genauso wie an dem Abend, als sie sich auf Titan kennenlernten. Vielleicht war es ihre Lieblingshaltung. Sie hatte den Kopf zurückgelegt und starrte mit leicht offenem Mund nach oben. Augen und Zähne schienen unzusammenhängende Reflexe inmitten einer Zufälligkeit von Linien zu sein. Ihr Gesicht, noch dunkler als sonst im Dämmerlicht, eigenartig gespannt. Als wäre in ihr eine Kraft tätig, die zu bändigen sie anstrengte.
    Katten hockte sich neben sie. Er legte ihr die Hand auf die Schulter. Die Berührung erregte ihn sofort. Er glaubte, es könnte nicht anders sein, als daß sie das gleiche empfand.
    In ihren Pupillen spiegelte sich ein dünner Lichtreflex. Ohne ihn anzusehen, sagte sie: »Du bist das?« Es war eine einfache Frage, ohne Erwartung.
    Ihre zurückhaltende Verschlossenheit ließ ihn unsicher werden. Beim Aufrichten bewegte sie die Schulter. Seine Hand glitt abwärts, berührte flüchtig ihre Brust.
    »Ich hatte dich verloren. Wo warst du? Ich habe dich gesucht.«
Sie wußte, daß er ein bißchen log, und lächelte.
    In seine Kabine drang das dämmrige Licht der fernen Sonne. Sie lösten ihre Körper voneinander, ruhten erschöpft, Köpfe in schweißige Armbeugen getaucht. Begierig sog er den Geruch ihrer Haut ein, atmete tief und regelmäßig. Später flackerte wie knisternde Flämmchen zärtlich flüsterndes Gespräch zwischen ihnen, erlosch wieder.
    Als er dachte, sie schliefe, frage sie: »Warum hast du mich gesucht?«
Er war überrascht, sagte, sich widersprechend, schnell, um die Verlegenheit zu überspielen: »Ich habe dich nicht gesucht.«
»Ich habe dich beobachtet.«
    Was wollte sie? Machte sie sich deshalb über ihn lustig? Er wußte nicht, was er entgegnen sollte, ohne sich eine Blöße zu geben. Die Festigkeit seiner Stimme war unecht. »Warum fragst du?«
Sie zögerte. »Niemand will einen wirklich.« Die Scheu in ihrer Stimme hinterließ ein merkwürdig leichtes Gefühl in ihm. »Und wir, Zufall?« Diesmal

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