Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
Vom Netzwerk:
dem spröden Namen Lare erschien ihm wie etwas Begehrtes, aber Unerreichbares. Die Sehnsucht nach ihr füllte, wenigstens für einen Augenblick, die Leere aus, deren er sich nun bewußt wurde. Jahre später, in Monaten, Tagen, in Sekunden schon, würde die Sehnsucht selbst Leere sein. Er ahnte, daß es so kommen würde, und dachte, ich muß sie finden.
    Bailey zwinkerte ihm zu und verschwand mit der Schwarzen. Nach und nach leerte sich die Tanzfläche. Ein paar Stunden später würden sie wieder dasein, vergnügt, hungrig, laut. Es war immer so, einer fing an, und es schlug über wie ein Funke.
    Katten achtete genau darauf, wer den Kuppelraum verließ. Lare war nicht dabei. Als fast alle gegangen waren, verließ ihn die erwartungsvolle Spannung. Er hockte zusammengesunken da, vertiefte sich in seine Enttäuschung. Hätte er die Kraft gehabt, sich zu zerstören, das Raumschiff, Lare, die Musik, er hätte es getan. Er konnte ihr nicht verbieten, ihren Spaß zu haben. Was wußte er von ihr? Vielleicht war das, was er meinte zu empfinden, nur Einbildung, Hysterie. Es führte zu nichts. In seinem Selbstmitleid kam er sich albern vor. Das Bedürfnis, allein zu sein, entblößte ihn aller schützenden Hüllen.
    Ein paar saßen noch herum, hörten der Musik zu, drieselten träge, mit halbgeschlossenen Augen. Katten warf sich zurück auf den weichen Sitzblock. Der Saturn war verschwunden. Es war nur noch schwarz über ihm, ein Stern funkelte schwach. In dieser Schwärze fühlte er sich geborgen. Doch der einsame Stern schien ein Loch in der Undurchdringlichkeit zu sein. Sein flackerndes Licht zerrte Kattens Unruhe wieder an die Oberfläche. Er riß sich los von dem Anblick, erwog, eigensinnig auf Ablenkung aus, zu schwimmen, ins Kino, ins Theater zu gehen oder etwas wahnsinnig Gutschmeckendes in sich hineinzufressen oder einfach schlafen zu gehen. Er beschloß zu schwimmen, blieb jedoch sitzen, als erwarte er etwas.
    Eins der übriggebliebenen Mädchen fiel über ihn her. Sie war heiß, küßte ihn ab und trieb ihre Hand zwischen seine Schenkel. Wieder dachte er an Lare. Aber es beunruhigte ihn nicht mehr, denn er war jetzt überzeugt, daß er sie suchen würde. Am Morgen hatte er sie nur aus Gewohnheit gehen lassen, nicht aus dem Bedürfnis heraus, sie loszuwerden. Die Erkenntnis machte nichts leichter, sondern erklärte lediglich die Tatsache und ließ nach wie vor die Frage offen, warum sie die ganze Nacht zusammengeblieben waren.
    Das Mädchen setzte sich rittlings auf seine Schenkel. Sie hatte ein hübsches Gesicht, eine aufregende Figur. Als sie seine Erregung spürte, warf sie sich nach vorn und legte ihm die Brüste gegen das Gesicht. Ihre Haut roch warm und gut, aber es war nicht das, was ihm fehlte. Lare. Der Gedanke machte alles zunichte. Das Mädchen registrierte es mit einem enttäuschten Knurren.
    Mit dem Fuß stieß Katten seinen Nebenmann an. Auffahrend begriff der die Situation und zog das Mädchen zu sich hinüber.
    Zwischen Sesseln und Blöcken wand sich Katten zur anderen Seite durch. Bis auf zwei Nachzügler war dieser Teil der Platte leer. Vor der Energiewand drehte er sich enttäuscht um. Sein Nachbar und das Mädchen waren ebenfalls verschwunden. Ohne Menschen wirkte der Raum – nach allen Seiten offen, wie die Spitze eines schmalen, unendlich hohen Berges – befremdend. Wie war er hier heraufgelangt? Er fühlte sich merkwürdig allein. Seine Sehnsucht nach Lare verstärkte sich. Wie ein Traumwandler ging er von Block zu Block, von Sessel zu Sessel, um wenigstens einen Hauch von ihr zu finden. Die Vorstellung, ihr vielleicht nie wieder zu begegnen, überkam ihn. Er hatte die Zeit sinnlos verstreichen lassen. Natürlich war sie mit Braun oder mit Pugdy. Oder mit Bailey. War da ein Unterschied? Jeder nahm sich, was er brauchte: Gebrauchsanweisung! Sie funktionierte. Bailey hatte sie nicht erfunden, beherrschte sie jedoch souverän. Bewunderte er Bailey? Seine Art zu ignorieren, was er ignorieren wollte? Seine Selbstverständlichkeit, seine Überlegenheit: Was für eine Überlegenheit? War das noch eigene Bewunderung, oder war es die der andern, einfach übertragen? Katten kletterte an seinen Gedanken entlang wie an einem schwankenden Gerüst, auf der Flucht vor der Antwort. Den meisten an Bord fühlte er sich überlegen. Arroganz? Er schüttelte den Kopf. Verband ihn das mit Bailey, oder war auch das eine Fiktion? Hätte nicht er Bailey sein können? War es ein Zufall, daß er nicht an dessen Platz

Weitere Kostenlose Bücher