Der unsichtbare Kreis
Was soll’s!«
»Es kann was geschehen«, sagte Katten laut. »Irgend etwas, was nicht vorherzusehen ist.«
»Du träumst«, sagte der erste. »Es wäre das erste Mal seit zweihundert Jahren. Der Kreisel weiß, wieviel Sauerstoff wir haben. Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum. Musik!«
»Begreift doch!« Katten schrie nun. »Er kann gezwungen sein, eine größere Bahn zu wählen, oder er wird beschädigt oder was weiß ich!«
Gelächter quoll auf, als hätte er einen Witz erzählt, dann übertönte es die Musik. Sie begannen zu tanzen, winkten ihnen mitzumachen. Voll fassungsloser Ohnmacht ballte Katten die Hände.
Die Stimmung steigerte sich, der Tanz wurde ausgelassener.
»So was hab’ ich noch nicht erlebt!« schrie einer. »Tanzen mit Magnetschuhen und Anzug. Das haut ein wie eine Sternschnuppe!«
Hinter den Visieren zeigten sich fröhliche Gesichter, tauchten schnell weg im Gedränge. Manche erkannte Katten wieder.
Niedergeschlagen hockte er sich neben Lare in einen altertümlichen Sessel, mehr um der Gewohnheit zu folgen als aus einem Bedürfnis heraus. Es war alles gesagt; das Schweigen lastete auf ihnen. Lare ergriff seine Hand. Die vage Berührung war beruhigend. Die Zeit verging. Sie blickten stumm auf die Tanzenden.
Zuerst erschütterte ein leiser Stoß das Wrack, kurz darauf ein stärkerer. Ein paar der Tanzenden taumelten. Dann schlug in der Nähe ein großer Brocken ein. Der Fußboden vibrierte, sie vernahmen einen schwachen, scharfen Ton zerreißenden Metalls. Einige verloren den Halt, schwebten durch den Raum. Vereinzelte Schreie mischten sich mit angstvollem Stöhnen. Sie flohen an die Wände, als würden die Schutz gewähren. Die Musik tönte weiter in den Kopfhörern, hüllte jeden einzelnen samt seiner Angst ein, umspann ihn wie ein Kokon, hilflos in seiner Verlassenheit.
Das Meteoritenbombardement dauerte länger als zwei Stunden. Dann ließ der Geschoßhagel nach, hörte schließlich ganz auf.
Eng aneinandergekauert lagen Katten und Lare in der Nische dreier Wände. Zwischen den Takten der Musik vernahmen sie überdeutlich ihr Atmen.
Jemand sagte: »Stell doch diese gottverdammte Musik ab.«
Das Schweigen wurde unerträglich.
Endlich fand einer den Mut. »Wieviel Zeit haben wir noch?«
Katten blickte auf die Uhr. Es blieben vierzig Minuten plus zehn der Notreserve. Der Kreisel hatte sich noch nicht wieder gemeldet.
Schwankend erhob sich Katten. Ein GelbblondSchmalwangiger half Lare. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht und helle Augen. Schüchtern sagte er: »Was nun?« Er blickte Katten vertrauensvoll an, um seinen Mund lief ein nervöses Zucken.
Katten sah in verstörte Gesichter. Sie drängten sich um ihn wie verängstigte Tiere. Baileys Schwarze stieß ein unterdrücktes Schluchzen aus. Der Gelbblonde sagte: »Ich hab’ noch für zwanzig Minuten Sauerstoff…«
Eine mitleidige Verwirrung überkam Katten. Er brachte es nicht fertig, sie anzuschreien. »Er wird schon kommen«, sagte er zögernd. »Er weiß doch, wieviel Sauerstoff wir haben.« Seine Worte erschienen ihm unecht. Sie mußten merken, daß er sie nur beruhigen wollte. Über die Kopfhörer klang seine Stimme wie immer und wie alle Stimmen: ein bißchen kratzig, ein bißchen uneben, manchmal diskant, doch scheinbar emotionslos.
»Was nun?« fragte der Blonde noch einmal.
Wieder überfiel Katten die Lust, sie anzuschreien: Ihr Idioten! Warum habt ihr euren Sauerstoff vergeudet? Er schwieg, versuchte ihnen ins Gesicht zu sehen, aber sie wichen ihm aus.
Er nahm Lare am Arm. »Wir gehen Bailey suchen. Bewegt euch sowenig wie möglich. Es kann knapp werden.«
»Und ihr?« fragte der blonde Schmale besorgt.
»Mach dir keine Gedanken…« Katten winkte beruhigend. Er zog Lare hinter sich her, als wäre er auf der Flucht. Er konnte ihnen nicht sagen, daß Lares und sein Sauerstoff eine halbe Stunde länger reichen würde.
Als sie den Gang erreichten, tönte in ihren Kopfhörern der auf- und abschwellende Ruf des Notsignals, dreißigfach verstärkt. Wenn er sich nicht selbst in äußerster Gefahr befand, mußte der Kreisel nun versuchen, mit allen Mitteln ihre Position zu erreichen.
Lare sagte leise: »Willst du wirklich Bailey suchen?«
»Nein.«
»Was soll das, wir vergeuden Sauerstoff.«
»Wenn der Kreisel es nicht schafft…« Katten flüsterte. »Willst du dann bei ihnen sein?« Kaum wahrnehmbar fuhr er fort. »Wir können ihnen nicht helfen.« Er schnitt ihren Einwand ab. »Ja, ich bin
Weitere Kostenlose Bücher