Der unsichtbare Kreis
Fremdes.
Barg stieß ein erschreckend menschliches Lachen aus. Tief
dröhnte die Stimme in Nekidas Gehirn: »Nun bist du ehrlich,
Nekida, einmal warst du ehrlich, durch mich, das Monstrum.
Hast du nun begriffen, daß auch du dir selber fremd bist, daß
du nichts von dir weißt? Warum bist du auf den Mars gekommen? Du weißt es nicht! Warum bist du Bordingenieur?
Du weißt es nicht.«
»Es ist meine Aufgabe«, stammelte Nekida. »Ich habe als
Mensch eine Aufgabe.«
»Ihr wißt so wenig von euch, ihr Armseligen, und durchmeßt doch den unendlichen Raum.«
Seiner selbst verunsichert, empfand Nekida nur nutzlose
Glieder und Gedanken. Er fürchtete um die Einheit seiner
Worte und Handlungen. Hastig, um etwas zu tun, redete er,
dachte es wortlos. Die Gedanken überschlugen sich, verließen
ohne die Kontrolle der Vernunft sein Unterbewußtsein. Nur
eines war ihm klar: Dies war die letzte Chance, Barg von den
Menschen zu überzeugen. Der Gedanke verfolgte ihn. Er
mußte beweisen, daß die Menschen gut waren. Er suchte nach
Formulierungen, die ihre schöpferische Kraft bestätigten. »Wir betreiben den Fortschritt«, flüsterte er, »den Fortschritt. Allen Wesen den Fortschritt…«
Schweiß rann ihm über die Stirn. Er schämte sich seiner
banalen Gedanken, doch sein Gehirn stieß sie aus, und es
war sowenig zu verhindern wie der Würgereiz eines kranken
Magens. Barg hatte ihn vergiftet, und nun erbrach er. Taumelnd bewegte sich Nekida auf einer grenzenlosen Flä
che. Um ihn war nichts Vertrautes. Seine Ängste waren Rudimente einer anderen Welt. Er überwältigte sie und schrie:
»Ich werde dich umbringen, Barg!« Während ihm klar wurde,
daß auch das Bargs Werk war, stöhnte er: »Ich werde deine
Sklaven von dir befreien.«
»Ich könnte dir befehlen, mich zu töten, könnte dir befehlen,
dich umzubringen: Beides wäre ein Verbrechen an dir. Sie jedoch brauchen meine Befehle. Sie sind nichts ohne mich.« »Du lügst schon wieder.«
»Glaubst du noch immer, du könntest beide Welten miteinander mischen? Entscheide selbst.«
Nekida fühlte sich auf festen Grund gestellt. Seine Füße
hatten einen Halt, doch er konnte nicht erkennen, was es
war. Er kehrte in sich zurück und sammelte seine Gedanken.
Barg beeinflußte weder sein Bewußtsein noch seine Gefühle. Zögernd, seiner Selbständigkeit noch unsicher, begann er:
»Beide Welten sind sich so fremd, daß sie sich nie begreifen
werden. Doch keine Fremdheit ist so absolut«, er klammerte
sich wie ein Ertrinkender an die Worte, »daß nicht wenigstens
ein Gedanke, eine verbindende Idee existierte.«
»Doch wozu?« entgegnete Barg. »Man würde dieses eine
Fragment herausreißen aus einem Wust von Unverständlichem, in dem es organisch gewachsen ist. Was also nützte
eine solche gewaltsame Zertrennung? Es ist die menschliche
Überheblichkeit, die annimmt, das Menschliche wäre den andern unentbehrlich, es ist die menschliche Unersättlichkeit,
die danach trachtet, mittels der Produkte Fremder den eigenen Weg zu kürzen. Schlag es dir aus dem Kopf, Mensch.
Versagst du doch bereits bei dem Erkennen meiner eigenen
Stellung und Funktion und bist nur in der Lage, sie mit
menschlichen Maßen zu messen.«
Nekida war überrascht. Die Worte seines Gesprächspartners waren von einem Eifer, den er nicht erwartet hatte. In
aufflackerndem Mißtrauen überprüfte er sich, fühlte sich
aber in keiner Form von außen beeinflußt. Offenbar hielt
Barg es für zweckmäßiger, mit ihm als Partner zu verhandeln,
ehe sie ihre Beziehungen beendeten. Beruhigt spürte Nekida
in sich weiterhin den Wunsch, beide Welten zusammenzuführen, doch sagte ihm sein Verstand, daß es unmöglich war. Er
mußte die fremde Welt so akzeptieren, wie er sie vorgefunden
hatte, wie immer es dazu gekommen war. Alles andere war
Einengung.
Barg lachte, das Weltall dröhnte.
»Du wolltest ein Gott sein, Nekida. Das ist euer Wahn.
Hier bin ich Gott. Vor Äonen von ihnen geschaffen, wuchs ich
und wurde ihr Schöpfer. Nun sind wir eins. Der Kreis ist geschlossen, der höchste, letzte Schritt getan. Laß uns!« Während er sich von Barg entfernte, vernahm er dessen
Worte. »Deine Brüder, Nekida, werden an der Barriere scheitern. Warne sie!«
In seinen Kopfhörern erklang beruhigend das Peilzeichen des Raumschiffes. Buck schwieg noch immer. Hastig trat Nekida aus der Höhle. Mit einer Hand überprüfte er den Sitz der Waffe.
Der Sandsturm hatte sich gelegt. Es dunkelte bereits. Er hatte Pritratorix am frühen Nachmittag
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