Der unsichtbare Kreis
Unruhe, etwas vergessen zu haben, blieb. Als er seinen Bericht beendet hatte, war ihm klar, daß er sich endgültig von der Vorstellung lösen mußte, Mittler zwischen zwei Welten zu sein. Die Menschen hatten dort nichts zu suchen. Bargs Welt war unbegreiflich. Es fiel ihm schwer, soviel Fremdheit zu respektieren. Waren sie glücklich? Er wußte nicht einmal, ob dieses Wort überhaupt anwendbar war. Sollten sie ungestört bleiben. Es war ihr Wille, es war Bargs Wille, wie auch immer.
Nachdenkend den Blick gesenkt, lehnte sich Geronimo zurück. Seine Hände umspannten die Armstützen, so daß die Sehnen die dunkle Haut seiner Arme mit hellen Streifen zeichneten. Die Lippen hatte er zu einem Strich zusammengepreßt. Hinter den Lidspalten verschwanden seine Augen fast ganz.
Von der Erzählung gepackt, schwiegen auch die anderen, als erwarteten sie noch etwas, was die ganze Geschichte erklären würde. Doch Nekida hatte nichts mehr hinzuzufügen.
Geronimo sah seine Männer an. Ein Teil von ihnen hatte in der Kabine der Kröte Platz gefunden, die anderen hatten den Bericht über die Bildschirme verfolgt.
»Wir können die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Es ist nicht anzunehmen, daß Nekida geträumt hat. Wir stehen wohl einem fast unglaublichen Phänomen gegenüber.« Er blickte den auffahrenden Nekida ruhig an. »Verzeih, es war so dahingesagt.« Er ließ den Blick über die Gesichter gleiten. »Wir sollten mit Beweisen zur Erde zurückkehren.«
Sie stimmten – gegen Nekida – für sofortigen Aufbruch. Der Zug der siebzehn Kosmonauten bewegte sich den engen Gang hinab. Vom gleißenden Schein der Lampen geblendet, flohen die lichtscheuen Spindeln tief in die Felsen hinein.
Der runde unterirdische Raum erstrahlte taghell. Wie hinter einer dunstigen Unendlichkeit verschwand die gegenüberliegende Felswölbung. Die Barriere im Zentrum der Höhle warf unruhig pulsend das Licht zurück. Schweigend drängten sich die Menschen am Eingang der Höhle.
Nekida trat vor. Er sah ihre ernsten, erwartungsvollen Gesichter und fühlte seinen Mut schwinden: Sie würden auf keine Warnung hören. Er würde seinen Auftrag erfüllen, der Rest war ihre Sache. Es lag nichts mehr in seiner Macht. Fast gegen seinen Willen öffnete er den Mund.
Sie blickten ihn selbstsicher an. Er erinnerte sie an KubegRalin und seine Leute, wies auf die Waffen in der Nähe der Wand.
»Das ist zwanzig Jahre her«, sagte Geronimo. »Wir sind eine neue Generation. Uns wird Barg den Eintritt nicht verweigern, denn uns bewegt nur ein Gedanke: zum Wohle aller Lebewesen beizutragen. Wir glauben fest an unseren Auftrag als Menschen. Er kann sich dem nicht verschließen.«
Nekida schüttelte den Kopf. »Kennt sich ein jeder so gut, daß er sicher sein kann, die Schwelle heil zu überwinden?«
»Geh, Nekida.« Sie waren ungeduldig.
Nekida trat in das Zentrum der Höhle. Wieder spürte er die gleiche euphorische Gelöstheit. Unter einem glückhaften Zwang legte er seine Waffe ab und fiel in die unfaßbare Dimension der Barriere. Barg ließ ihn ungehindert passieren. Es dauerte nur Sekunden, bis er wieder vor seinen Gefährten stand.
Langsam gingen sie auf die Barriere zu. Das Licht der Scheinwerfer löste sich im Nebeldunst auf. Seitlich von ihnen stehend, beobachtete Nekida sie.
Nach einigen zögernden Schlitten blieben sie stehen. Die Gesichter wandten sich ihm zu, doch es schien ihm, als wichen sie seinem Blick aus. Unruhig irrten ihre Blicke umher, als suchten sie etwas Vertrautes, einen Halt. Ihre Augen waren weit geöffnet, aber sie sahen nichts. Es war, als konzentrierten sich ihre Sinne auf eine innere Wahrnehmung. Angst verzerrte ihre Züge, sie atmeten heftig und stoßweise. Die Gesichter glänzten von Schweiß.
Nekida schritt an der Front der Schutzanzüge entlang. »Was ist, was sagt Barg euch?«
Mit starren Körpern, fast ohne die Füße zu heben, wichen sie zurück, blieben schweigend, in sich versunken, stehen. Wie aus einem Schlaf tauchten sie nach einigen Augenblicken in der Gegenwart auf, belebten sich.
Jemand sagte mit trauernder Stimme: »Wir sind die ersten Menschen, wir haben versagt.«
Nekida musterte sie erstaunt. »Habt ihr es euch überlegt? Hat Barg euch gesagt, daß sie allein bleiben wollen?«
»Barg hat uns beschämt.«
»Geronimo…!«
Der Kommandant warf ihm einen kurzen, verlegenen Blick zu.
»Hat Barg gedroht, euch zu töten?«
Geronimo schüttelte den Kopf. Er musterte seine Männer, lächelte dann. Es lag etwas wie eine
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