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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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sie ernsthaft. »Darin ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Denkens enthalten. Denn allein die Tatsache, daß wir unsere Verschiedenartigkeit tolerieren werden, muß eine ethische Auswirkung auf unser Sein, auf unsere Entwicklung haben.«
»Ist der Aufwand nicht ein bißchen groß?«
»Ich sagte bereits, wir sind sehr unterschiedlich.« Ihre spöttische Überlegenheit verletzte ihn. Das war wieder Keméle in ihrer Rätselhaftigkeit.
»Empfindet ihr bei unserm Anblick ebenfalls Entsetzen, Ekel?«
Um ihre Mundwinkel spielten zwei winzige Falten. »Noch einmal«, sie betonte jedes Wort, »unsere Emotionen sind für Menschen nicht beschreibbar.«
»Aber du reagierst sehr menschlich.«
»Das habe ich von dir gelernt.«
Der Summton des Rufers riß ihn aus der Betrachtung ihres Gesichts. Das alles war ihm ein märchenhaftes Rätsel. Hastig erhob er sich, kehrte um. Er zögerte, sie zu berühren. Ihre Schulter war fest, die Haut warm und schmiegsam.
Keméles vertrauter Duft wehte ihm entgegen. Er versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu befreien, doch er war schon in ihn gedrungen. Ein Rausch bemächtigte sich seiner. Sie war nicht anders als Keméle. Warum log sie? War es wirklich unmöglich, sie zu begreifen? Was versteckte sich in ihrem Innern?
Zusammenschauernd gewahrte er, wie seine Hände über ihre Schultern fuhren. Mit einer abwehrenden Heftigkeit schob er sie von sich.
Der Summer mahnte.
»Geh dort hinüber«, befahl er, »schnell!«
Widerspruchslos folgte sie und beobachtete von der Wand her seine Manipulationen.
Auf dem Bildschirm erschien Stroganoffs Gesicht. Er nickte freundlich.
»Du warst schon auf?«
»Noch, wenn du’s wissen willst.«
Stroganoff schniefte besorgt. »Du solltest wirklich vernünftiger sein.« Er blickte auf einen Zettel. »Wir machten ein Objekt aus. Wahrscheinlich ein Meteorit. Er müßte bei dir in der Gegend runtergekommen sein. Hast du was bemerkt?«
Djagganaut schüttelte den Kopf. »Nein«, knurrte er. »Ihr seht Gespenster.«
»Schon gut«, sagte Stroganoff. »Geht’s dir jetzt besser?«
»Laßt mich in Ruhe.« Er warf einen kurzen Blick zur Seite.
Stroganoff gab noch ein paar Informationen durch und fragte zum Schluß: »Gibt’s sonst was Neues?«
Aus den Augenwinkeln nahm Djagganaut eine Bewegung wahr. Ehe das Mädchen aus der toten Ecke heraus war, hatte er die Verbindung unterbrochen.
»Warum hast du dem anderen Menschen nichts von uns berichtet?«
»Ich hielt es für besser«, erwiderte er ausweichend. »Wenn ich sie richtig vorbereiten soll, muß ich erst mehr von euch erfahren. Ich muß dich kennenlernen.«
Ihr Kleid war aus einem halbdurchsichtigen Material. Es verhüllte wie ein flüchtiger Dunst ihre Konturen. Die Blässe ließ die Haut marmorn erscheinen. Keine Ader war an ihrer Oberfläche sichtbar.
Zögernd streckte er die Hand aus, berührte ihr Haar. Vorsichtig fuhren die Finger über ihr Gesicht, streiften ihre Brust.
»Macht es dir Freude, mich zu berühren? Ich möchte dir Freude bereiten. Ich weiß, ihr braucht dieses Gefühl. Soll ich das Kleid ablegen? Möchtest du den direkten Kontakt?« Djagganaut löste sich von ihr.
Es ist Wahnsinn, dachte er, ich bin pervers. Er zwang sich Sachlichkeit auf. »Sag mir, was empfindest du, wenn du meine Hand spürst?«
Ihr Gesicht drückte nichts aus. »Ich gewinne eine Erfahrung. Es nützt mir wie dir.«
Mit einem Schlag erlosch seine Verzauberung. »Wie seht ihr wirklich aus, wie?«
Sie schüttelte sanft den Kopf. »Wir werden euch vorerst in menschlicher Gestalt entgegentreten. Alles andere würde unser Kennenlernen nur behindern.«
Er ging auf und ab, suchte nach Argumenten, ließ sich schließlich enttäuscht in einen Sessel fallen.
»Gut, tauschen wir Informationen aus. Wie seid ihr hergekommen? Warum gerade zu uns?«
»Wir fingen vor längerer Zeit Funksignale auf und beschlossen die Expedition. Als euer Raumschiff auf dem Planeten landete, befanden wir uns in der Nähe. Wir wollten die Gelegenheit nutzen, um nicht gleich eine ganze Welt zu beunruhigen. Wir wußten ja nichts von euch.«
Djagganaut war bemüht, sie nicht ununterbrochen anzustarren. »Wißt ihr nun mehr?« Die Aggressivität benutzte er als Ventil. »Ihr habt einen Menschen kennengelernt, einen einzigen. Ein kümmerliches Subjekt. Ich nütze euch überhaupt nichts. Die Menschen sind anders, vielleicht besser, vielleicht schlechter, auf jeden Fall anders.«
Sie lächelte spöttisch, mit jenem aufmerksam-erstaunten Ausdruck Keméles, der ihn

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