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Der unsichtbare Mond

Der unsichtbare Mond

Titel: Der unsichtbare Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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auf den Friedhof zu. Die Kiefern würden ihm helfen, seinen Geruch zu überdecken. Außerdem hatte er eine Idee. Als er seine Tasche durchsuchte, fand er das Seil, auf das er gehofft hatte, und lief in Richtung Osten über den Friedhof, auf Lady Watkiss’ Grundstück zu. Wenn er dorthin gelangen konnte, zu den kräftigen Bäumen mit den niedrigen Ästen, dann konnte er diesen Wölfen vielleicht das eine oder andere darüber beibringen, wie man in Silvertown die Dinge in die Hand nahm.
    Als er an Wasilys Hügel vorbeikam, streckte Herold die Hand aus und klopfte darauf, um sich Glück zu wünschen. Seil hin oder her, er würde es brauchen.
     

     
    Der Umweg durch das Kornfeld funktionierte – die Wölfe hatten für kurze Zeit seine Fährte verloren und waren hinter ihm zurück geblieben. Das verschaffte ihm genug Zeit, um im Vorgarten der alten Lady Watkiss eine kleine Überraschung vorzubereiten. Wenn er die Tiere in die schmale Straße locken konnte, zwischen das Haus und den dahinterliegenden Gäste-Bungalow, dann mochte es ihm gelingen, sich die Wölfe für den Rest der Nacht vom Hals zu schaffen. Wenn nicht, würden sie ihn wahrscheinlich überwältigen und der Vorhang würde fallen, und dann war ohnehin alles egal. Allerdings, dachte Herold, sollte er – für den Fall, dass dies geschah – der alten Frau eine Notiz hinterlassen, damit sie keine böse Überraschung erlebte, wenn sie am nächsten Morgen aus ihrer Haustür trat.
    Vor allem aber wollte er die Nacht überleben, weil er Meredith nicht alles hatte erzählen können, was er entdeckt hatte, insbesondere über diese Seite aus der Ur-Edda.
    Er war nicht mehr dazu gekommen, ihr mehr von dem Palimpsest zu erzählen – davon, was er von dessen blassen Spuren hatte übersetzen können. Informationen, die ihr Wissen über die Ragnarök grundlegend verändern konnten.
    Und nicht zuletzt wollte er ihr sagen, dass Shingo und er auf weitere Papiere gestoßen waren, die Michael gehört hatten. Sie gab es ungern zu, doch wenn sein Name erwähnt wurde oder bei ihren Recherchen ein Artikel von ihm auftauchte, erkannte Herold an Merediths Blick, dass sie ihren Stiefvater wirklich geliebt hatte. Niemand fiel in Ohnmacht, wenn er hörte, dass eine verhasste Person gestorben war – jedenfalls niemand, den Herold kannte.
    Ein letztes Mal überprüfte er seine Vorrichtung und kam, als er das Heulen hörte, zu dem Schluss, dass eine Notiz für die alte Lady Watkiss wirklich keine schlechte Idee wäre.
    Herold befand sich mitten im dritten Entwurf seiner Notiz, als er das Knurren vernahm.
    Wie er gehofft hatte, waren die Wölfe seiner Fährte in die schmale Seitenstraße gefolgt. Er hatte jedoch nicht vorausgesehen, dass sie von beiden Seiten der Straße kommen und ihm jeden Fluchtweg abschneiden würden.
    »Mist«, murmelte Herold halblaut. »Manchmal wünschte ich, meine Theorien würden nicht immer so genau zutreffen.« Die Wölfe begannen vorzurücken. »Langsam habe ich es satt, von Wesen mit Fell verfolgt zu werden!«
    Als Erwiderung senkte der Leitwolf – ein großer, graugesprenkelter Brauner – seinen Kopf und ließ ein grollendes Knurren hören.
    »Ach, leck mich doch«, sagte Herold.
     

     
    Herold hatte Meredith erzählt, wie er einmal als Kind in aller Unschuld mit ausgestreckter Hand auf einen wilden Hund zugegangen war und als Lohn für seine Bemühungen beinahe einen Daumen verloren hatte. Die Narbe war immer noch sichtbar. Daran erkannte sie seine Hand, als der Wolf kauend an ihr vorüberlief.
    Ob es nun Plan oder Absicht, einfaches Glück oder die Tatsache war, dass sie ihren Geruch nicht aufgefangen hatten – die Wölfe hatten Meredith vollkommen ignoriert, um stattdessen Herold zu verfolgen. Er war an den Gebäuden der Transportgesellschaft vorbei zum nördlichen Teil der Landebahn gelaufen und im Unterholz verschwunden, das Rudel an den Fersen. Einige Minuten später riskierte sie einen kurzen Blick und sah den Wolf mit seiner Trophäe vorbeilaufen. Meredith übergab sich und machte sich dann auf den Weg zum Soame’s.
     

     
    Glen arbeitete an der Theke. In jeder Hand hielt er einen Staublappen – und einen in seinem linken Fuß. Er lächelte fröhlich, als sie eintrat und winkte ihr zu. »Hallo, Meredith. Wie geht’s?«
    »Ganz gut, Glen, abgesehen davon, dass die Stadt offenbar kurz davor steht, von Wölfen überrannt zu werden.«
    »Oh, das ist uns schon aufgefallen«, sagte er und wies mit dem Daumen über seine Schulter auf Delna,

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