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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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hatte. Darüber war eine Laube aus gebogenen Ästen errichtet, von denen die meisten noch Blätter trugen. Diese leuchteten in sämtlichen Farben des Regenbogens – es gab sogar blaue und lilafarbene – und sie waren wunderschön.
    Schließlich sagte Kay: »Tja, sieht so aus, als wäre niemand zu Hause, was?«
    Das war etwas voreilig.
    Artie sah ihn zuerst. Die Erde und der Fels auf der einen Seite der Höhle schienen sich umzuformen wie ein lebendiger Transformer. Er rang nach Luft. Kay und Däumling drehten sich um. Die »Wand« begann zu schimmern wie bewegtes Wasser, das Lichtmuster auf eine Zimmerdecke wirft, und innerhalb von Sekunden offenbarte sich die ganze Form in all ihrer schuppigen Pracht.
    Der Schwanz kam als Erstes auf dem Boden auf, beinahe geräuschlos. Dann die Hinterbeine, die Vorderbeine, der Hals und der Kopf. Und all das vollkommen lautlos.
    Als er mit seinem ganzen Gewicht auf dem Höhlenboden angekommen war, drehte er sich um. Und so standen die drei überraschten Ritter dem großen grünen Drachen von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
    Sein Maul war geschlossen. Die Nüstern bebten. Die gekräuselte Mähne, die aussah wie die eines chinesischen Drachen, bewegte sich leicht als würde eine sanfte Brise darüber streichen. Er blinzelte.
    Es war gespenstisch, wie ruhig er blieb.
    Für Artie war es keine Frage, dass es sich um den Drachen handelte, der sie auf dem See angegriffen hatte. Er hatte dieselben goldenen Widderhörner, dieselben rubinroten Fangzähne und dieselben wunderschön funkelnden Regenbogenaugen.
    Däumling verbeugte sich tief und sagte: »Wächter Tiberius, Beschützer von Lord Numinae. Ich, Sir Tom Däumling, grüße Euch demütig im Namen Seiner Eminenz, König Artus Kingfisher, und des Ritters seiner Tafelrunde, Sir Kay.«
    Kay sagte leise: »Schön gesagt, Tommy!« Doch der kleine Mann, der sich immer noch tief verneigte, wie die Etikette es vorsah, warf ihr einen strengen Blick zu.
    Artie verbeugte sich, wusste aber ansonsten nicht, was er tun sollte. Der Drache drehte leicht den Kopf und schnaubte »Hmmmmmpf« durch die Nase. Etwas Schwarzes stieg aus seinen Nüstern auf, doch es war kein Rauch. Es schien unmöglich, aber … es sah aus wie Glas.
    Däumling fuhr fort: »Wir bitten um eine Audienz …«
    Doch bevor er den Satz beenden konnte, richtete sich der Drache auf und spuckte etwas schwarz Glänzendes auf Däumling. Zunächst sah er aus wie Han Solo, als er in Karbonit eingefroren wird – seine Arme in der Luft, sein Schwert in der Hand und sein Gesicht zu einer Grimasse verzerrt –, doch dann breitete sich die schwarze Substanz um ihn aus und machte dabei Geräusche wie von brechendem Glas und rutschenden Steinen. Innerhalb weniger Sekunden war Däumling in einem eiförmigen, etwa einen Meter hohen Brocken aus schwarzem Basalt verschwunden.
    Das Däumling-Ei schwankte, fiel auf die Seite und rollte hin und her.
    Kay schrie und wollte auf den Drachen losgehen, doch Artie streckte Excalibur aus und hielt sie auf. Der Drache ignorierte Kay und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Artie.
    »Kein Grund zur Sorge nicht«, sang der Drache. Seine Stimme war so tief und schwer, dass sie sie mehr fühlten als hörten. »Der kleine Herr ist sicherer dort herinnen. Gänzlich lebendig.«
    »Warum hast du das getan?«, fragte Kay.
    Tiberius starrte weiterhin nur Artie an. Er sagte: »Hmmmpf. Fühlt’ mich nicht danach, mit ihm zu plaudern. Noch nicht. Und er sollt’ Lord Numinae nicht sehen. Das sollst nur du.«
    Entspannt ließ Tiberius sich auf dem Boden nieder und legte das Kinn auf die Vorderpfoten wie eine dicke, zufriedene Hauskatze.
    Artie dachte an Qwon und sagte: »In Ordnung. Dann lass uns zu Lord Numinae gehen.«
    Der Drache schaute weg. »Hmmmpf. Wirst doch nicht etwa ein neuer Thronbewerber sein?«
    Kay platzte heraus: »Hör zu, ich weiß nicht, wer du glaubst, dass du bist, aber …«
    »Wer ich bin? Und was denkst du wohl, wer du bist, kleines Kind?«
    »Kleines Kind!?«, hob Kay an, doch der Drache ließ eines seiner langen, spitzen Ohren knallen und Kay hielt den Mund.
    »Älter als Merlin, Numinae und Narr Däumling zusammen bin ich. Und du in meinen Augen ein Kleinkind.«
    Artie fragte: »Was meinst du mit ›Thronbewerber‹?«
    Der Drache blinzelte langsam. Er sah schläfrig aus. »Hmmmpf. Ich weiß, wer du bist, Träger des Byrnsweord . Ich fragt’ mich nur, wer du denkst, dass du bist.«
    Artie war verblüfft. Diese fantastische Kreatur

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