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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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lag ein riesiger Gesteinsbrocken, der in den Boden eingegraben war und in dessen Mitte die rückwärtige Mündung der Höhle lag. Die kreisrunde Wiese vor ihnen war von einem dichten Wald aus Eichen und Eschen umgeben.
    Kay umklammerte Cleomedes mit beiden Händen. Sie fragte: »Was denkst du, was er mit dem Kamm meinte?«
    Artie hielt Excalibur in der rechten Hand und zog den Dolch Carnwennan mit der linken. Er klopfte mit dem Schwertknauf auf den Faustschild, der an seinem linken Arm befestigt war, um zu prüfen, ob er fest saß. »Ich glaube, ich weiß es, aber ich will es lieber nicht aussprechen.«
    Plötzlich kam Leben in die Baumkronen vor ihnen. Unsichtbare Äste zerbrachen. Der Wald erbebte, und was auch immer Auslöser der Unruhe war, bewegte sich von links nach rechts über eine Strecke von etwa zehn Metern.
    Und dann bogen sich zwei gewaltige Eichen auseinander, als das Etwas sich zwischen ihnen hindurchquetschte.
    Es war Twrch Trwyth.
    »Oh verdammt«, murmelte Kay.
    »Ja«, bestätigte Artie matt.
    Der Eber machte einen Satz und scharrte wild mit den Hufen. Er war etwa dreißig Meter entfernt. Aus seiner rotzigen Schnauze dampfte es und seine Augen glühten feurig. Sein drahtiges Fell sträubte sich. Und auf seinem Kopf saß deutlich erkennbar der Silberkamm.
    Wind kam auf, als das Tier den Kopf senkte, ein paar kleine Schritte machte und dabei die Kingfishers mit den Augen fixierte. Die Baumkronen rauschten und tanzten, und der Wind trug ein Flüstern zu ihnen, das mehr nach raschelnden Blättern als nach einer richtigen Stimme klang. »Bringt mir den Kamm.«
    Das Flüstern war ganz eindeutig Numinaes.
    Dann griff der Eber an.
    Schulter an Schulter rannten Artie und Kay so schnell sie konnten rückwärts. In letzter Minute stießen sie genau dort gegen den Felsbrocken, wo vorher der Höhleneingang gewesen war – er war nicht mehr da. Durch den Aufprall wurden sie auseinandergeschleudert.
    Das Tier prallte heftig mit dem Kopf voraus zwischen ihnen gegen den Fels. Es gab ein grauenvolles Geräusch, wie wenn ein riesiger Baumstamm unter dem Druck einer Lawine zerbirst.
    Der Eber grunzte und wich zurück, die Kingfishers standen rechts und links von ihm. Er hätte bluten müssen, tat es aber nicht. Stattdessen stemmte er sich auf die Hinterbeine, schüttelte den Kopf und wandte sich Kay zu.
    Artie griff ihn schnell von hinten an. Excalibur schnitt mit Leichtigkeit durch Haut und Sehnen, doch wieder kam kein Blut.
    Das Tier knurrte wie ein Hund und wirbelte zu Artie herum. Kay sah, wo ihr Bruder die Kreatur geschnitten hatte – unglaublicherweise schlossen sich die blutlosen Wunden und heilten von selbst.
    Plötzlich kribbelte die Hand, in der Artie sein Schwert hielt. Excalibur wollte ihm etwas sagen.
    Doch er hatte keine Zeit, sich damit zu befassen, denn der Eber griff erneut an. Abwehrend hielt Artie die flache Seite Excaliburs zwischen seinen Körper und die spitzen, verschmierten Hauer. Als sie ihn trafen, spritzte fauliger Speichel in Arties Gesicht.
    Die Wucht des Zusammenpralls war furchtbar. Twrch Trwyth warf seinen Kopf hoch und riss Excalibur, das quer über seinen Hauern lag, mit nach oben. Artie drehte sich der Magen um, als das Schwein ihn an seinem Schwert in die Luft hob. Verzweifelt klammerte er sich fest, während er wie wild mit dem Dolch auf den harten Nasenrücken des Tiers einstach. Doch der Dolch hatte auf den Eber eine ähnliche Wirkung wie eine Mücke auf einen Elefanten.
    Wieder schleuderte Twrch Trwyth den Kopf hoch, und plötzlich war der Kamm nur noch eine Armlänge von Artie entfernt. Das war seine Chance. Wie in Zeitlupe streckte er die Hand aus und durchtrennte mit dem Dolch die Borsten, die den Kamm hielten.
    Er lag frei!
    Doch sofort wuchs das Fell des Ebers nach und befestigte den Kamm wieder an seinem Platz.
    Artie konnte es nicht fassen.
    Das Tier bäumte sich auf und Artie hing fast schon mit dem Kopf nach unten, als Kay eine schnelle Drehung machte und das rechte Hinterbein des Ebers direkt unterhalb des Knies abhieb.
    Ein laut zischendes Geräusch kam aus dem Stumpf und die Kreatur verlor den Halt. Während sie fiel, stieß Artie seinen Dolch in einen ihrer geröteten Augäpfel. Er explodierte wie eine verfaulte Tomate. Als der Eber auf dem Boden aufschlug, kam Artie frei und rollte sich in Sicherheit.
    Artie und Kay waren noch immer einige Schritte voneinander entfernt, als seine Hand so stark kribbelte, dass es beinahe wehtat. Und dann begriff Artie: Excalibur

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